Was ist ein Dienstunfall und was nicht?
Diese Frage stellen sich Beamtinnen und Beamte, Dienstherrn und Gerichte.
Die Antworten können sehr unterschiedlich ausfallen.
Auch das Verwaltungsgericht Berlin hat sich in seiner Entscheidung zum VG 7 K 394/23 dazu verhalten.
Das Gericht hatte über einen Antrag einer Witwe auf Zahlung einer erhöhten Unfall-Hinterbliebenenversorgung zu entscheiden, nachdem ihr Ehemann als Lehrer bei einem außerschulischen Arbeitstreffen nach einem Wespenstich infolge seiner Wespenallergie gestorben war.
I. Dienstunfall: Wespenstich – Was war passiert?
Der Ehemann der Klägerin war verbeamteter Lehrer in Berlin.
Am vorletzten Tag der Sommerferien nahm er an einem Präsenztag der Lehrkräfte in einem Ruder-Club teil, um schulische Themen zu bearbeiten.
Er teilte zwei Kollegen mit, dass er gegen Wespenstiche allergisch sei, aber heute sein Notfallmedikament vergessen habe; sie sollten auf ihn aufpassen, er könne nach einem Stich eventuell ohnmächtig werden.
Er wurde kurze Zeit später auf der Terrasse des Clubs beim Kaffeetrinken von einer Wespe gestochen und erlitt einen anaphylaktischen Schock, in dessen Folge er trotz Rettungsmaßnahmen der Kollegen und der herbeigerufenen Rettungskräfte noch vor Ort verstarb.
II. Dienstunfall: Wespenstich – Rechtsgrundlagen
Ist ein Beamter, der Unfallruhegehalt erhalten hätte, oder ein Ruhestandsbeamter, der Unfallruhegehalt bezog, an den Folgen des Dienstunfalles verstorben, so erhalten seine Hinterbliebenen Unfall-Hinterbliebenenversorgung, vgl. § 39 Abs. 1 Satz 1 LBeamtVG – Berlin.
Ein Dienstunfall ist nach § 31 LBeamtVG – Berlin ein auf äußerer Einwirkung beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares, einen Körperschaden verursachendes Ereignis, das in Ausübung oder infolge des Dienstes eingetreten ist.
Zum Dienst gehören danach auch
- Dienstreisen, Dienstgänge und die dienstliche Tätigkeit am Bestimmungsort,
- die Teilnahme an dienstlichen Veranstaltungen und
- Nebentätigkeiten im öffentlichen Dienst oder in dem ihm gleichstehenden Dienst, zu deren Übernahme der Beamte gemäß § 61 des Landesbeamtengesetzes (Berlin) verpflichtet ist, oder Tätigkeiten, deren Wahrnehmung von ihm im Zusammenhang mit den Dienstgeschäften erwartet wird, sofern der Beamte hierbei nicht in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert ist (§ 2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch).
Für Beamtinnen und Beamte des Bundes und der anderen Bundesländer werden diese Rechtsgrundlagen nahezu wortgleich in den jeweiligen Beamtenversorgungsgesetzen geregelt.
III. Dienstunfall: Wespenstich – ein Dienstunfall?
Die Berliner Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie lehnte eine Anerkennung des Vorfalls als Dienstunfall insbesondere deshalb ab, weil die Wespenallergie eine persönliche Anlage des Lehrers gewesen sei, so dass sich in seinem Tod keine spezifische Gefahr der Beamtentätigkeit realisiert habe.
Damit war die Witwe nicht einverstanden und klagte beim Verwaltungsgericht Berlin gegen die Entscheidung des Dienstherrn.
Der Klage hat das Verwaltungsgericht Berlin nach Auskunft seiner Pressemitteilung dann stattgegeben.
Der Wespenstich erfülle alle Voraussetzungen eines Dienstunfalls.
Insbesondere sei die Anwesenheit des Lehrers auf der Terrasse des Ruder-Clubs dienstlich veranlasst gewesen, weil er nur wegen des dienstlichen Arbeitstreffens dort gewesen sei und das Begrüßen und Einweisen der Kollegen im wohlverstandenen Interesse des Dienstherrn liege.
Ereigne sich der Unfall – wie hier – während der Dienstzeit am Dienstort und damit im räumlichen Machtbereich des Dienstherrn, komme es nicht darauf an, ob die Tätigkeit, bei der sich der Unfall ereigne, dienstlich geprägt sei.
Denn bei der Dienstausübung seien dienstliche und private Aspekte regelmäßig nicht streng zu trennen. Schließlich sei die Wespenallergie auch nicht als Vorschädigung einzustufen, die den Unfall als unwesentliche Ursache für den Tod erscheinen ließe.
Anders als bei einer mechanischen Abnutzung wie etwa einer vorgeschädigten Achillessehne, die jederzeit auch außerhalb des Dienstes reißen könnte, hänge die Reaktion auf einen Wespenstich von verschiedenen zufälligen Faktoren ab, wie etwa der Giftmenge und dem Ort des Stiches.
Dass der Lehrer sein Notfall-Set vergessen habe, begründe allenfalls eine rechtlich irrelevante Nachlässigkeit.
Denn es sei zweifelhaft, ob er dieses überhaupt noch hätte benutzen können, wenn sogar die schnell eingetroffenen professionellen Rettungskräfte sein Versterben nicht hätten verhindern können.
IV. Dienstunfall: Wespenstich – Was tun bei Problemen?
Wer einen Dienstunfall hat, leidet danach nicht nur an den gesundheitlichen Folgen, sondern auch am Umgang des Dienstherrn damit.
Es ist nachvollziehbar, dass Dienstherrn Geld sparen und Kosten senken möchten. Bei der Gewährung von Unfallruhegehältern oder Unfall-Hinterbliebenenversorgung schießen sie gerne mal über das Ziel hinaus und lehnen eine Zahlung ab.
Das wirkt nicht selten kategorisch nach dem Motto: Wenn es die Beamtin oder den Beamten stört, kann er sich ja wehren.
Und das sollten Sie im Zweifel auch tun und dann am besten auch mit anwaltlicher Hilfe durch einen Spezialisten im Beamtenrecht.
In einem Erstberatungsgespräch können Sie mit einem Spezialisten im Beamtenrecht in einem ersten Schritt besprechen, wie Ihr konkreter Fall einzuordnen ist und wie weiter vorgegangen werden sollte.