Die Frühpensionierung ist von mehreren Voraussetzungen abhängig. Liegen die Voraussetzungen nicht vor, ist die vorzeitige Versetzung in den Ruhestand rechtswidrig.
Damit stellt sich bei Beamtinnen und Beamten die frühpensioniert werden sollen die Frage, ob ein BEM-Verfahren durchgeführt werden muss, bevor eine Versetzung in den Ruhestand erfolgen kann.
I. Was ist ein BEM-Verfahren?
Das betriebliche Eingliederungsmanagement ist ein Angebot Ihres Dienstherrn. Wenn Sie im Verlauf von zwölf Monaten mehr als 42 Kalendertage hintereinander oder aufsummiert erkrankt waren, bietet der Dienstherr Ihnen an, gemeinsam zu klären, wie er Sie dabei unterstützen kann, wieder gesund zu werden oder nicht erneut zu erkranken. Sie allein entscheiden, ob Sie das Angebot annehmen möchten.
Näheres zum BEM-Verfahren erfahren Sie in einem gesonderten Beitrag.
Die Dienstherrn weisen darauf hin, dass wenn Sie ein BEM-Verfahren ablehnen, dies keine Folgen für Sie hat.
II. Ist ein BEM-Verfahren Voraussetzung für die Frühpensionierung?
Wenn die Ablehnung eines BEM-Verfahrens durch die Beamtin oder den Beamten keine Folge haben soll, wie ist dann eine vorzeitige Versetzung in den Ruhestand möglich?
Für nicht wenige Beamtinnen und Beamte stellt sich das schon als eine Folge dar.
Die Gerichte haben da aber eine andere Auffassung und zitieren nicht zuletzt aus einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, BVerwG, Urteil vom 5. Juni 2014 – 2 C 22/13 – Rn. 46 ff.:
„Die Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements ist aber keine Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für den Erlass einer Verfügung, mit der ein Beamter wegen dauernder Dienstunfähigkeit vorzeitig in den Ruhestand versetzt wird.
§ 84 Abs. 2 SGB IX (Anmerk. d. Red.: heute geregelt in § 167 Abs. 2 SGB IX) regelt die Rechtsfolge eines Verstoßes gegen die Verpflichtung zur Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements nicht. Insbesondere ist das Verfahren nach § 84 Abs. 2 SGB IX – anders als die Zustimmung des Integrationsamts in § 85 SGB IX – nicht als Wirksamkeitsvoraussetzung einer arbeitsrechtlichen Kündigung ausgestaltet (vgl. hierzu BAG, Urteil vom 12. Juli 2007 – 2 AZR 716/06 – BAGE 123, 234 Rn. 36). Ein Unterlassen führt daher auch nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes nicht zur Rechtswidrigkeit einer Kündigung, sondern lediglich zur Verschiebung der Darlegungs- und Beweislastverteilung in einem hierauf bezogenen Gerichtsverfahren (vgl. BAG, Urteile vom 23. April 2008 – 2 AZR 1012/06 – NZA-RR 2008, 515 Rn. 27, vom 10. Dezember 2009 a.a.O. Rn. 17 ff., vom 30. September 2010 – 2 AZR 88/09 – BAGE 135, 361 Rn. 14 und vom 24. März 2011 – 2 AZR 170/10 – NZA 2011, 993 Rn. 25).
Diese Einschätzung gilt für das öffentliche Dienstrecht erst recht. Die Annahme einer zwingenden Rechtswidrigkeitsfolge der Ruhestandsversetzung im Falle eines unterbliebenen betrieblichen Eingliederungsmanagements ist mit dem Regelungssystem des Bundesbeamtengesetzes nicht in Einklang zu bringen. Ist ein Beamter wegen seines körperlichen Zustandes oder aus gesundheitlichen Gründen zur Erfüllung der Dienstpflichten des ihm zuletzt übertragenen Amtes im abstrakt-funktionellen Sinn als dauernd unfähig anzusehen und kommt auch eine anderweitige oder zeitlich begrenzte Verwendung des Beamten nicht in Betracht, so ist er in den Ruhestand zu versetzen (§ 44 Abs. 1 Satz 1 BBG). Diese gesetzliche Anordnung steht nicht unter dem Vorbehalt, dass zuvor ein betriebliches Eingliederungsmanagement durchgeführt worden ist; vielmehr ist im Falle der genannten Voraussetzungen für die Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements kein Raum mehr. Liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt vor, sind abweichende Entscheidungen auch dann nicht mehr denkbar, wenn die Möglichkeiten der präventiven Wiedereingliederung nach § 84 Abs. 2 SGB IX versäumt worden sind.
Die in § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX enthaltene Verpflichtung ist auch kein Bestandteil des auf den Erlass einer Ruhestandsversetzung gerichteten Verwaltungsverfahrens (vgl. § 9 VwVfG). Die Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements ist bereits förmlich nicht als Verfahrensschritt eines Verfahrens nach § 44 ff. BBG ausgestaltet, das gesetzliche Regelungsgefüge sieht eine Verzahnung der jeweiligen Verfahren nicht vor. Das betriebliche Eingliederungsmanagement ist auch nicht auf den Abschluss eines Zurruhesetzungsverfahrens gerichtet; es dient vielmehr dazu, bereits den Eintritt einer Dienstunfähigkeit und damit den materiellen Anknüpfungspunkt entsprechender Verfahren zu vermeiden. Schließlich knüpft das betriebliche Eingliederungsmanagement materiell an andere Voraussetzungen an als § 44 Abs. 1 BBG. Die Anordnung in § 84 Abs. 2 SGB IX und das Dienstunfähigkeitsverfahren sind jeweils eigenständige Verfahren, die in rechtlicher Hinsicht nicht verknüpft sind.
Der Verstoß gegen die aus § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX folgende Verpflichtung des Dienstherrn, ein betriebliches Eingliederungsmanagement durchzuführen oder jedenfalls anzubieten, kann daher nur mittelbare Folgen für das Zurruhesetzungsverfahren eines Beamten wegen dauernder Dienstunfähigkeit entfalten (ähnlich auch BGH, Urteil des Dienstgerichts des Bundes vom 20. Dezember 2006 – RiZ (R) 2/06 – NVwZ-RR 2007, 328 zu § 84 Abs. 1 SGB IX).
Dies gilt insbesondere für die Einleitung des Verfahrens. Bereits die Anordnung, sich einer ärztlichen Untersuchung zu unterziehen, setzt substanzielle Zweifel an der dauernden Dienstfähigkeit des Beamten voraus. Der Dienstherr ist nur dann zu einer Untersuchungsaufforderung berechtigt, wenn tatsächliche Umstände gegeben sind, die bei vernünftiger, lebensnaher Einschätzung die ernsthafte Besorgnis begründen, der betroffene Beamte sei dienstunfähig (Urteile vom 26. April 2012 – BVerwG 2 C 17.10 – Buchholz 237.6 § 226 NdsLBG Nr. 1 Rn. 19 und vom 30. Mai 2013 – BVerwG 2 C 68.11 – BVerwGE 146, 347 Rn. 19). Diese liegen nach ordnungsgemäßer, aber erfolgloser Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements regelmäßig vor. Unterlässt der Dienstherr dagegen die ihm gemäß § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX obliegende Verpflichtung, muss er die Begründung einer Untersuchungsanordnung auf anderweitige, ausreichende Tatsachenfeststellungen stützen.
Entsprechendes gilt im Hinblick auf den Ausschluss einer anderweitigen Verwendbarkeit (§ 44 Abs. 1 Satz 3 BBG). Auch diese Voraussetzung einer Versetzung in den Ruhestand prüft das Verwaltungsgericht im Streitfall gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO von Amts wegen; kann sie nicht festgestellt werden, hat die Verfügung keinen Bestand. Dabei ist es Sache des Dienstherrn, schlüssig darzulegen, dass er bei der Suche nach einer anderweitigen Verwendung für den dienstunfähigen Beamten die Vorgaben des § 44 Abs. 3 BBG beachtet hat. Denn es geht um Vorgänge aus dem Verantwortungsbereich des Dienstherrn, die dem Einblick des betroffenen Beamten in aller Regel entzogen sind. Daher geht es zulasten des Dienstherrn, wenn nicht aufgeklärt werden kann, ob die Suche den gesetzlichen Anforderungen entsprochen hat (Urteil vom 26. März 2009 – BVerwG 2 C 73.08 – BVerwGE 133, 297 = Buchholz 232 § 42 BBG Nr. 25, jeweils Rn. 30). Auch insoweit entlastet es den Dienstherrn hinsichtlich des Bereichs der betroffenen Dienststelle, wenn auch die Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements keine alternativen Beschäftigungsmöglichkeiten aufzuzeigen vermocht hat.„
III. BEM-Verfahren bei Frühpensionierung als Chance nutzen!
Wenn Sie als Beamtin oder Beamter längere Zeit erkrankt sind, empfehle ich Ihnen, das BEM-Verfahren als eine Chance zu begreifen.
Sie können mit einem BEM-Verfahren nämlich versuchen, die Dinge in Ihrem Sinne zu regeln.
- Bereiten Sie mit Ihren Sie behandelnden Ärzten und Therapeuten das BEM-Verfahren gut vor.
- Informieren Sie sich bei Ihrem Personalrat und auch bei der Schwerbehindertenvertretung über Regularien und Gepflogenheiten. (Gibt es z. B. eine Betriebsvereinbarung?)
- Stellen Sie ggf. mit Hilfe Ihrer Ärzte einen schriftlichen Antrag auf stufenweise Wiedereingliederung.
- Überlegen Sie, falls der Antrag auf Wiedereingliederung abgelehnt wird, ob Sie Rechtsbehelfe ergreifen wollen.
IV. Vertrauensperson beim BEM-Verfahren mitnehmen!
Wenn Sie an einem BEM-Gespräch teilnehmen, müssen Sie nicht alleine dahin gehen.
Beamtinnen und Beamte können zusätzlich eine Vertrauensperson eigener Wahl hinzuziehen, vgl. § 167 Abs. 1 Satz 2 SGB IX.
Als Vertrauensperson können unterschiedliche Personen in Frage kommen:
Betriebs- oder Personalrat, die Schwerbehindertenvertretung, den Werks- oder Betriebsarzt, die Rehabilitationsträger und das Integrationsamt (falls es um schwerbehinderte Menschen geht).
Selbstverständlich können Beamtinnen und Beamte auch andere Personen hinzuziehen, beispielsweise Ehepartnerin oder Ehepartner, Freund, Freundin, Arzt, Psychotherapeut.
Sie können auch einen Rechtsanwalt im BEM-Verfahren beauftragen.
Diese haben dann in dem Verfahren die selben Rechte wie alle anderen beteiligten Stellen.
V. Was kann ich bei Problemen tun?
Wenn Sie als Beamtin oder Beamter an einem BEM-Verfahren teilnehmen, empfehle ich Ihnen eine Vertrauensperson hinzuzuziehen.
Das kann in diesen Verfahren auch ein Rechtsanwalt sein.
Beamtinnen und Beamten empfehle ich dann, einen Experten im Beamtenrecht hinzuzuziehen.
So stellen Sie sicher, dass Ihr Fall von Beginn an beamtenrechtlich optimal betreut werden kann und Sie Ihren Rechtsanwalt nicht zu einem späteren Zeitpunkt wechseln müssen.
Als Spezialist im Beamtenrecht berate und vertrete ich Beamtinnen und Beamte.
Nehmen Sie gerne mit mir Kontakt auf, um ein Erstberatungsgespräch zu vereinbaren.