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Mörder behält Ruhegehalt

von: Bernhard A. Maurer, Fachanwalt für Verwaltungsrecht

veröffentlicht: 04.10.2025

Ein Ruhestandsbeamter des Bundes hat seine Ex-Frau und seinen älteren Sohn umgebracht.

Dem jüngeren Sohn gelang die Flucht.

Im Beamtenrecht eigentlich ein Grund sein Ruhegehalt zu verlieren.

Nicht so in diesem Fall.

Und deswegen lohnt es sich genauer hinzusehen.

I. Mörder behält Ruhegehalt – Was ist passiert?

Der Ruhestandsbeamte wurde wegen Mordes auf Teneriffa durch ein spanisches Gericht verurteilt.

Der Beamte hatte seine getrennt lebende Ehefrau sowie seinen älteren Sohn umgebracht.

Der jüngere Sohn konnte fliehen.

Für den Mord an seinem älteren Sohn wurde er mit einer lebenslangen Freiheitsstrafe, für den Mord an der Ehefrau mit 23 Jahre und für den Mordversuch gegenüber dem jüngeren Sohn mit 16 Jahre Freiheitsstrafe bestraft.

Der Dienstherr leitete daraufhin eine auf die Aberkennung des Ruhegehalts gerichtete Disziplinarklage ein.

Der Dienstherr scheiterte sowohl mit der Klage beim Verwaltungsgericht (VG Magdeburg, Urteil vom 08.06.2023, Az.: 15 A 31/22 MD) , der anschließenden Berufung beim Oberverwaltungsgericht (OVG Magdeburg, Urteil vom 23.01.2024, Az.: 11 L 1/23) und der hiergegen gerichtete Revision beim Bundesverwaltungsgericht (Pressemitteilung Nr. 62/2025 vom 04.09.2025 zu BVerwG, Urteil vom 04.09.2025, Az.: 2 C 13.24 (noch nicht veröffentlicht, Stand 04.10.2025)).

II. Wie verliert ein Ruhestandsbeamter sein Ruhegehalt wegen Mordes?

Ein Ruhestandsbeamter kann wegen Mordes auf mehreren wegen sein Ruhegehalt verlieren.

Der eine Weg geht über das Beamtenversorgungsgesetz (BeamtVG).

Verliert ein Ruhestandsbeamter seinen Anspruch auf Ruhegehalt nach dem BeamtVG, ist das in der Regel parallel laufende Disziplinarverfahren einzustellen, vgl. hierzu § 32 Abs. 2 Nr. 3 Bundesdisziplinargesetz (BDG).

Verliert der Ruhestandsbeamte sein Ruhegehalt nicht nach dem BeamtVG, ist durch den Dienstherrn im Disziplinarverfahren zu prüfen, ob eine Disziplinarmaßnahme nach dem BDG zu treffen ist.

Dann kann ein Ruhestandsbeamter unter anderem seine Ruhebesoldung aberkannt bekommen.

Beide Wege knüpfen an unterschiedliche Voraussetzungen an.

Die Voraussetzungen beider Wege lagen in diesem Fall nicht vor.

III. Wie verliert ein Ruhestandsbeamter nach dem BeamtVG sein Ruhegehalt?

Nach dem Beamtenversorgungsgesetz des Bundes kann der Anspruch auf Erhalt eines Ruhegehalts durch Verurteilung eines deutschen Gerichts verloren gehen.

Rechtsgrundlage ist hier der § 59 BeamtVG (in der für den Fall geltenden Fassung):

„(1) Ein Ruhestandsbeamter,

  1. gegen den wegen einer vor Beendigung des Beamtenverhältnisses begangenen Tat eine Entscheidung ergangen ist, die nach § 41 Abs. 1 des Bundesbeamtengesetzes zum Verlust der Beamtenrechte geführt hätte, oder
  2. der wegen einer nach Beendigung des Beamtenverhältnisses begangenen Tat durch ein deutsches Gericht im Geltungsbereich dieses Gesetzes im ordentlichen Strafverfahren
    • a) wegen einer vorsätzlichen Tat zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren oder
    • b) wegen einer vorsätzlichen Tat, die nach den Vorschriften über Friedensverrat, Hochverrat, Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates, Volksverhetzung oder Landesverrat und Gefährdung der äußeren Sicherheit strafbar ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monate verurteilt worden ist,

verliert mit der Rechtskraft der Entscheidung seine Rechte als Ruhestandsbeamter. Entsprechendes gilt, wenn der Ruhestandsbeamte auf Grund einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gemäß Artikel 18 des Grundgesetzes ein Grundrecht verwirkt hat.

(…)“

Für Landesbeamte gelten ähnliche Regelungen, die aber – wie Sie lesen werden – abweichende Regelungen enthalten können.

In den Fällen des § 59 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BeamtVG ist das Vorliegen eine Verurteilung durch ein deutsches Gericht notwendig.

Dann verliert der Ruhestandsbeamte sein Ruhegehalt kraft Gesetzes und nicht durch eine Disziplinarmaßnahme des Dienstherrn.

Im hier besprochenen Fall gab es aber nur ein Urteil eines spanischen Gerichts.

Der Dienstherr sah sich deswegen nicht in der Lage, den Anspruch auf Erhalt des Ruhegehalts als erloschen zu betrachten und betrieb die Disziplinarklage weiter.

Die Richter des VG Magdeburg diskutieren in ihrer Entscheidung, ob sie im Rahmen eines disziplinarrechtlichen Verfahrens berechtigt sind, über das Erlöschen von Versorgungsbezügen nach dem BeamtVG zu entscheiden.

Im Ergebnis verneinen sie das und verweisen auf eine Prüfung durch die Versorgungsbehörde des Dienstherrn.

Als Rechtsanwalt für Beamte mag ich dieser Darstellung nicht ganz folgen.

Nach § 32 Abs. 2 Nr. 3 BDG muss ein Disziplinargericht prüfen, ob das Disziplinarverfahren einzustellen ist, weil die Voraussetzungen des § 59 Abs. 1 BeamtVG vorliegen.

Der § 59 Abs. 1 BeamtVG greift kraft Gesetzes und nicht erst nach einer Prüfung der Versorgungsbehörde.

So ganz wollten sich die Richter des VG Magdeburg anscheinend nicht vor der Prüfung drücken.

Sie betonen in ihrer Entscheidung den Wortlaut der Norm, wonach der Bundesgesetzgeber eben von „deutschen Gerichten“ spricht.

Sie weisen auch darauf hin, dass in den Landesregelungen in Nordrhein-Westphalen (§ 74 Abs. 3 LBeamtVG NRW, in der Fassung vom 14.06.2016, Stand: 03.10.2025) und im Land Brandenburg (§ 11 Abs. 1 Nr. 1 Alt 1 BbgBeamtVG, in der Fassung vom vom 20. November 2013, zuletzt geändert zuletzt geändert durch Artikel 5 des Gesetzes vom 21. Juni 2024) Regelungen enthalten sind, die von dem Tatbestandsmerkmal „Deutsches Gericht“ Abstand nehmen und auch ausländische Gerichtsentscheidungen zulassen.

Die Richter der zweiten Instanz vom OVG Magdeburg prüfen hingegen im Rahmen der Zulässigkeit der Disziplinarklage die Voraussetzungen des § 59 Abs. 1 BeamtVG.

Die verneinen sie und verweisen auf den Wortlaut.

Sie verneinen auch eine entsprechende (analoge) Anwendung des § 59 Abs. 1 BeamtVG auf ausländische Urteile.

Der Gesetzgeber habe die Problematik gekannt.

Disziplinargerichte seien nach § 57 Abs. 1 BDG bei der Feststellung von Sachverhalten in der Regel auch an die Feststellungen ausländischer Gerichte gebunden.

Der Gesetzgeber habe den Unterschied also durchaus gekannt.

Der Gesetzgeber habe auch zahlreiche Änderungsgesetze seit Inkrafttreten der abweichenden landesrechtlichen Regelungen nicht genutzt, um § 59 BeamtVG, im Übrigen ebenso wenig die §§ 41, 77 BBG insoweit, anzupassen.

Mögliche Verfolgungslücken seien durch den Gesetzgeber also gleichsam „sehenden Auges“ hingenommen worden.

Damit konnte der Ruhestandsbeamte in diesem Fall den Anspruch auf sein Ruhegehalt nicht nach § 59 Abs. 1 BeamtVG verlieren.

III. Wie verliert ein Ruhestandsbeamter nach dem Disziplinargesetz sein Ruhegehalt?

Der Dienstherr hatte nur noch die Möglichkeit, dass Ruhegehalt nach dem Bundesdisziplinargesetz (BDG) abzuerkennen.

Ein Ruhestandsbeamter kann sein Ruhegehalt nach dem Disziplinargesetz teilweise oder ganz verlieren.

Nach § 11 BDG kann das Ruhegehalt eines Ruhestandsbeamten auf längstens drei Jahre gekürzt werden.

Nach § 12 BDG kann einem Ruhestandsbeamten das Ruhegehalt aberkannt werden.

Damit der Dienstherr gegenüber einem Ruhestandsbeamten diese Disziplinarmaßnahmen erlassen kann, muss ein Dienstvergehen vorliegen.

In meinem Beitrag „Disziplinarverfahren gegen Ruhestandsbeamte“ erfahren Sie mehr dazu.

Ein Dienstvergehen liegt in der Regel vor, wenn gegen eine obliegende Pflicht verstoßen wurde, vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 Bundesbeamtengesetz (BBG).

Der sachliche Anwendungsbereich für Ruhestandsbeamte wird in § 2 Abs. 1 Nr. 2 a) und b) BDG genau benannt.

Und das ist eine Regelung mit der Ruhestandsbeamte nicht leichtfertig umgehen sollten.

Nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 a) BDG gilt für Ruhestandsbeamten, dass sie für während ihres Beamtenverhältnisses begangene Dienstvergehen (§ 77 Abs. 1 BBG) disziplinarrechtlich belangt werden können.

Nach Eintritt in den Ruhestand begangene als Dienstvergehen geltenden Handlungen (§ 77 Abs. 2 BBG) können nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 b) BDG disziplinarrechtlich geahndet werden.

In der letzten Variante spielte der durch die Gerichte zu entscheidende Fall des Ruhestandsbeamten.

Der Dienstherr ging davon aus, dass die Voraussetzungen des § 77 Abs. 2 Nr. 1 BBG vorlagen.

Danach gilt es als ein Dienstvergehen, wenn sich Ruhestandsbeamte gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes betätigen.

Die Morde und der Mordversuch des Ruhestandsbeamten waren nach Auffassung der Richter aber nicht gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung nach § 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BBG gerichtet.

Nach ihrer Auswertung des Sachverhalts handelte es sich offensichtlich um auf rein privaten Motiven beruhende Straftaten des Beklagten ohne jeglichen politischen Bezug.

Gegensätzliches habe der Dienstherr auch nicht dargelegt.

Die begangen Straftaten seien nicht ausreichend, um eine Betätigung gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung nach § 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BBG anzunehmen.

Rechtlich interessierten empfehle ich die Argumentation des OVG Magdeburg in seinem Urteil ab Randnummer 36 ff. zu lesen.

Der Dienstherr konnte mit seiner Disziplinarklage nicht erreichen, dass der Ruhestandsbeamte seinen Anspruch auf Ruhegehalt verlor.

IV. Gibt es noch die Disziplinarklage?

Würde sich der Fall wiederholen, wäre der Bund als Dienstherr nicht mehr verpflichtet eine Disziplinarklage auf Aberkennung des Ruhegehalt beim Verwaltungsgericht zu erheben.

Nach einer Reform des BDG kann der Dienstherr nunmehr eine Disziplinarverfügung erlassen.

Gegen die Disziplinarverfügung müsste sich der Ruhestandsbeamte im Widerspruchsverfahren und Klageverfahren sowie gegebenenfalls in einem Eilverfahren wehren.

Das ich die Reform des BDG im Jahr 2023 kritisch betrachte, wäre heute in einem Rechtsstreit wohl unbedeutend, da die Reform verfassungsrechtlich zulässig gewesen sein dürfte.

Wer sich dennoch für das Thema interessiert empfehle ich meinen Beitrag „Entfernung von Beamten leichter möglich – Reform des BDG“.

V. Was können Ruhestandsbeamte in einem Disziplinarverfahren tun?

Ruhestandsbeamtinnen und -beamte gegen die ein Disziplinarverfahren eingeleitet wird, sollten von ihrem Recht zu Schweigen Gebrauch machen.

Zusätzlich sollten sie sich anwaltlich beraten lassen.

Im Disziplinarrecht gibt es schlicht zu viele Fallstricke, die Ruhestandsbeamten zum Verhängnis werden können.

Wer sich dann vorschnell auf den Sachverhalt einlässt, kann sich schnell in größere Probleme reden.

Als Anwalt für Beamte berate und vertrete ich Ruhestandsbeamtinnen und -beamte in Disziplinarverfahren.

In einem Erstberatungsgespräch können wir die Sach- und Rechtslage erörtern und besprechen, wie weiter sinnvoll vorgegangen werden kann.

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