Beamtinnen und Beamte die einer Nebentätigkeit nachgehen müssen wissen, dass ihnen die Nebentätigkeit durch den Dienstherrn untersagt werden kann.
Das gilt unabhängig davon, ob es sich um eine genehmigungspflichtige oder genehmigungsfreie Nebentätigkeit handelt.
Zuletzt weckten die gerichtlichen Verfahren zum TikToker „Officer Denny“ mediales Interesse.
Gegen „Officer Denny“ erging ein noch nicht veröffentlichtes Urteil des Verwaltungsgerichts Berlins vom 18.03.2024, Az. 36 K 389/22. Nach der Berichterstattung wurde mit dem Urteil damit ein Verbot der Berliner Polizei, die dem Beamten eine Nebentätigkeit auf verschiedenen sozialen Medien (darunter TikTok), untersagte, bestätigt.
Das Urteil ist noch nicht bestandskräftig und es bleibt abzuwarten, ob der betroffene Beamte gegen das Urteil in Berufung geht.
Für Sie als Beamtin oder Beamter ist das jedoch nicht von Bedeutung.
Denn durch „Officer Denny“ wurde parallel ein Eilverfahren durchgeführt. In diesem Eilverfahren sind zwei Beschlüsse ergangen. In erster Instanz durch das Verwaltungsgericht Berlin (Az.: 36 L 388/22) sowie in zweiter Instanz durch das Oberverwaltungsgericht Berlin (Az.: OVG 4 S 4/23).
Das Eilverfahren war notwendig, da das Verbot der Nebentätigkeit durch den Dienstherrn für sofort vollziehbar erklärt worden war und seine Klage keine aufschiebende Wirkung entfalten konnte. Für den Beamten bedeutete das, dass er sofort seine Nebentätigkeit auf TikTok und den anderen sozialen Medien einstellen musste. Das muss für ihn als bekannter TikToker sehr hart gewesen sein.
In diesem Beitrag werden Sie auf der Grundlage der beiden Eilentscheidungen zu „Officer Denny“ erfahren, was für eine Nebentätigkeit vorlag und warum diese Nebentätigkeit untersagt wurde. Dazu finden Sie immer wieder ergänzende Kommentare von mir, mit denen ich den Sachverhalt einordne und weiterführende Hinweise gebe.
Sollte Ihnen einmal selbst eine Nebentätigkeit untersagt werden, finden Sie am Ende des Beitrags Hinweise, was Sie tun und wo Sie Hilfe finden können.
#1. Untersagung einer Nebentätigkeit: „Officer Denny“ auf TikTok
Um zu verstehen, wie es zur der Untersagung der Nebentätigkeit des Beamten „Officer Denny“ auf der Social Media Plattform TikTok gekommen ist, ist es wichtig den Sachverhalt nachzuvollziehen, wie er sich aus den Eilbeschlüssen ergibt.
Im Mai 2021 zeigte „Officer Denny“ seinem Dienstherrn an, dass er auf der Social Media Plattform „TikTok“ ein Profil mit Polizeibezug betreibe. Dabei handele es sich um eine künstlerische Tätigkeit, die einen Umfang von 7 Stunden pro Woche nicht übersteigen werde.
Der Dienstherr teilte darauf hin mit, keine Bedenken gegen die Ausübung dieser Nebentätigkeit zu haben. „Officer Denny“ wurde darauf hingewiesen, dass er auch bei Ausübung der Nebentätigkeit der Verschwiegenheitspflicht unterliege und die Nebentätigkeit nur außerhalb der Dienstzeit und außerhalb dienstlicher Liegenschaften ausgeübt werden dürfe.
Wie sich aus der Auswertung der späteren Widerspruchsbegründung ergibt, muss sich „Officer Denny“ in seinen Social Media Auftritten dann unter anderem über Corona und diesbezügliche Maßnahmen sowie über Vorwürfe rechtspopulistischer Tendenzen bei der Polizei lustig gemacht haben. Die hierzu einschlägigen Videos sind dann auf Hinwirken des social Media Teams der Polizei unter anderem nach Sensibilisierungsgesprächen gelöscht worden.
Mit anderen Worten: Bevor es hier im Sachverhalt zum Beginn der Auseinandersetzung kommt, war „Officer Denny“ als Polizeibeamter mit seinen Nebentätigkeiten schon für den Dienstherrn kein unbeschriebenes Blatt mehr und negativ aufgefallen.
Im Februar 2022 wurde dann im Dienstrechtsbereich bekannt, dass der Beamte auf seinem TikTok-Kanal in einem Livestream ein Gespräch mit einem Beschuldigten in einem Strafprozess geführt hatte. Inhaltlich ging es in dem Livestream dabei um einen laufenden Prozess und aktuelle Vorwürfe aus dem Magazin „STERN“, dass eine nunmehr im Prozess eingeführte Tonaufnahme gefälscht sein könnte. In dem Livestream trug der Beamte ein T-Shirt mit der Aufschrift Polizei. Zu Beginn des Gesprächs wurde der Beamte gefragt, ob er tatsächlich Polizist sei, was er bejahte. Im Verlauf des Gesprächs wurde sich geduzt und nach Auffassung des Dienstherrn bestand eine vertrauliche Atmosphäre. Der Beamte hat den Beschuldigten auf den Artikel im „STERN“ angesprochen und ihn nach seiner Meinung dazu gefragt, dass eine Tonbandaufnahme aufgetaucht sein soll, die einen anderen belasten und dessen Darstellung der Ereignisse widerlegen könnte.
Der Livestream blieb nach dem Sachverhalt des Gerichtsbeschlusses in erster Instanz nicht unkommentiert. Zuschauer hätten diesen Livestream unter anderem wie folgt kommentiert: „Was sagt die G… Polizei dazu?“, „Polizist chillt mit Kriminellen, Willkommen in Deutschland“, „Sehe ich das richtig, ein Polizist und F…im Live zusammen“, „Da fehlen einem die Worte, wie kann man so einem eine Plattform geben“.
Der Dienstherr ging davon aus, dass nach den durch die Zuschauer getätigten Kommentare das Video mehr als 7.500 Zuschauer gesehen hätten und diverse Zuschauer dieses Video auf ihren Kanälen teilten.
Das fand der Dienstherr im Ergebnis gar nicht gut, denn nach seiner Auffassung habe sich der Polizeibeamte damit in einem laufenden Verfahren zur Strafbarkeit einer möglichen Falschaussage geäußert.
Vor diesem Hintergrund untersagte der Dienstherr durch Bescheid vom 14. Februar 2022 dem Polizeibeamten „Officer Denny“ die Ausübung der anzeigepflichtigen Nebentätigkeit und sprach das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte aus. Zur Begründung führte der Dienstherr unter anderem aus, dass durch das geführte Gespräch der Polizeibeamte gegen § 5 der Verordnung über die Nebentätigkeit der Beamten (NtVO) i.V.m. § 63 Abs. 5 Landesbeamtengesetz (LBG), § 34 Abs. 1 Satz 1, 3 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) und § 101 LBG verstoßen. Er habe sich kenntlich als Polizeibeamter der Polizei Berlin in vertraulicher Art und Weise öffentlich mit einem Beschuldigten über einen in der Öffentlichkeit präsenten laufenden Prozess ausgetauscht, dessen Inhalte hinterfragt und versucht, diese mit dem Angeklagten zu diskutieren. Er hätte wissen müssen, dass der geführte Livestream geeignet ist, dass Ansehen der Polizei schwer zu schädigen. Die Kommentare und mitgeschnittenen Livestreams, aus denen das Unverständnis über das Gespräch deutlich werde, würden dies untermauern. Die erhobenen Vorwürfe würden schwer wiegen, da sie dem Ansehen der Polizei ganz erheblich schaden (vgl. hierzu den Eilbeschluss des Verwaltungsgerichts Berlin (Az.: 36 L 388/22).
Gegen diesen Bescheid legte der Beamte Widerspruch ein. Zur Begründung führt er nach dem Eilbeschluss in der ersten Instanz aus, „dass er sich gerade nicht als Polizeibeamter der Polizei G… kenntlich gezeigt habe. Er habe vielmehr ein schwarzes nicht dienstlich geliefertes T-Shirt mit der Aufschrift Polizei getragen. Seit Oktober 2020 fehle es auf allen Social-Media-Kanälen an einem Hinweis, dass er Beamter der Polizei G… sei. Er habe dies auch im Gespräch mit F… (dem Interviewpartner, Anm. d. Autors) nicht offengelegt, vielmehr habe die Pressestelle der Polizei G… einem Redakteur des Online-Portals „t-online.de“ die Beamteneigenschaft des „t…“ und dessen Zugehörigkeit zur G…Polizei bestätigt. Jedenfalls fehle es an einer konkreten Wiederholungsgefahr. Die Untersagungsverfügung gehe aber auch über das hinaus, was nach dem wohlverstandenen Sicherungszweck und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz geboten erscheine. So hätte es vorliegend genügt, die Nebentätigkeit allenfalls teilweise zu untersagen, soweit das Abhalten von Gesprächen über die Doppel-Live Funktion betroffen sei und des Weiteren, dass Gesprächspartner nicht dem mutmaßlichen Clan-Milieu zuzuordnen und/oder Beteiligte eines laufenden Strafverfahrens sein dürften.“
Die Begründung möchte ich mit eigenen Worten zusammenfassen: Der Polizeibeamte wünscht sich statt einer Untersagung der Nebentätigkeit eine auf seine Tätigkeit maßgeschneiderte Lösung, die auf seinen konkreten Fall eingeht. Das soll zur Folge haben, dass er nach jedem „Fehler“ als TikToker keine Untersagung zu befürchten hätte, sondern wenn überhaupt nur Teiluntersagungen bzw. Hinweise dahingehend erhält , was aus sich des Dienstherrn erlaubt ist und was nicht.
Damit wünscht er sich unausgesprochen Leitlinien für Nebentätigkeiten von Beamtinnen und Beamten auf TikTok und Social Media generell. Diese scheint es zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Klageverfahren noch nicht gegeben haben. Die Behördenvertreterin soll im Prozess erklärt haben, dass an solchen Leitlinien gearbeitet werden würde.
Kurz darauf hat der Polizeibeamte zudem in einer E-Mail angezeigt, dass er noch Accounts auf den Social Media Plattformen Twitch und YouTube betreibt und darum gebeten, dass sich die Nebentätigkeit auch hierauf erstrecken soll.
Diesen Teil der Geschichte klammere ich hier aus, damit der Sachverhalt für Sie als Leser nicht ganz so kompliziert wird, wie er sich beim Lesen der ergangenen Eilbeschlüsse vielleicht darstellt. Sollten Sie Mitarbeiter einer Behörde sein, der die Untersagung von Nebentätigkeiten prüfen muss, mag der dazugehörige Sachverhalt für Sie vielleicht von Interesse sein. Dann bitte ich Sie, diesen Teil in den Beschlüssen nachzulesen.
Für Sie als Beamtin oder Beamter sei der Vollständigkeit wegen nur erwähnt, dass der Dienstherr mit einem zweiten Bescheid vom 15. Juni 2022 auch die Nebentätigkeiten auf Twitch und YouTube untersagt hat. Dabei verwies der Dienstherr zur Begründung unter anderem auch darauf, dass durch den Polizeibeamten auf Twitch und YouTube bereits dem ersten Interview ähnliche Beiträge eingestellt worden seien.
Später wurde sich in diesem Verfahren auch darum gestritten, ob eine Nebentätigkeit auf Instagram erlaubt ist.
Wie Sie sehen, hat das Verfahren also ein großes Ausmaß erlangt. Ich konzentriere mich aber bei der Aufarbeitung auf die Untersagung der Nebentätigkeit auf TikTok, um uns nicht mit dem Sachverhaltsumfang zu verwirren.
Mit Widerspruchsbescheid vom 4. Oktober 2022 wies der Dienstherr die Widersprüche zurück. Zur Begründung führte der Dienstherr nach dem Eilbeschluss in erster Instanz an: „Die Ausübung der Nebentätigkeit sei zu unter- bzw. zu versagen gewesen, weil sich Dienstpflichtverletzungen sowie eine Beeinträchtigung dienstlicher Interessen ergeben hätten. Dabei habe nicht nur die bloße Möglichkeit einer Beeinträchtigung dienstlicher Belange bestanden, sondern sei eine tatsächliche Schädigung in Form von Beschwerden und rufschädigenden Kommentaren sowie einer Verletzung von Dienstpflichten eingetreten. Alle Dienstkräfte seien verpflichtet, ihr gesamtes Verhalten so auszurichten, dass sie der Achtung und dem Vertrauen, die ihr Beruf erfordern, stets gerecht werden. Daher hätten Dienstkräfte auch im Privatleben auf ihre berufliche Stellung Rücksicht zu nehmen und in ihrer Lebensführung darauf zu achten, dass das Ansehen der Behörde und das Vertrauen der Bevölkerung in die Polizei keinen Schaden nehme. Mit diesen Pflichten sei ein privater Umgang mit Personen unvereinbar, die bereits mehrfach verurteilt wurden oder gegen die ein Strafverfahren laufe. Durch die Videos sei ein erheblicher Imageschaden entstanden, da der Antragsteller als Meinungsvertreter der Polizei wahrgenommen worden sei. In den Beiträgen mache er zwar deutlich, dass er als Privatperson seine private Meinung äußere, allerdings werde dies von der Öffentlichkeit anders wahrgenommen, da konkrete Polizeithemen angesprochen und interpretiert würden. Vor diesem Hintergrund habe er objektive Interessenskonflikte hervorgerufen, da er durch die Auftritte mit dem Profilnamen „T…“, das Tragen dienstuniformähnlicher Kleidung und die Auswahl der Interviewpartner und der Inhalte einen Grad an öffentlichkeitswirksamer Ansehensschädigung bewirkt habe. Unter anderem habe er sich über Corona und diesbezügliche Maßnahmen lustig gemacht sowie über Vorwürfe rechtspopulistischer Tendenzen bei der Polizei G…. Diese Videos seien auf Hinwirken des social Media Teams bereits gelöscht worden. Nach geführten Sensibilisierungsgesprächen sei es dann zu dem Interview mit Herrn F…gekommen. Die Begründung, dass es sich insoweit um eine einmalige Pflichtverletzung handele und eine Wiederholung nicht zu erwarten sei, erschließe sich vor diesem Hintergrund nicht. Vielmehr stehe der Antragsteller im Verdacht, entgegen der Auflage in 21 Fällen Videos eingestellt zu haben, die in bzw. auf polizeilichen Liegenschaften gedreht worden seien, sowie in einem Fall ein Dienstfahrzeug für Aufnahmen genutzt zu haben. Neben dem besonders in Rede stehenden Video mit Herrn M…habe der Antragsteller weitere Videos auf „TikTok“ oder anderen nicht angezeigten oder genehmigten sozialen Plattformen wie „Twitch“ oder „YouTube“ eingestellt. Darunter auch das Video mit dem Rapper „K…“ der dem Umfeld des F…Clans zugerechnet werde. Auch wenn er dabei nur polizeiähnliche Bekleidung trage, sei der Auftritt durch den Profilnamen („T…“) und die Angabe Polizist zu sein, eindeutig der Polizei zuzuordnen. Trotz geführter Sensibilisierungsgespräche und der Löschung von zwei Videos auf Intervention des social Media Teams habe er wiederholt und mehrfach Videos mit sensiblen Themen auf mehreren Plattformen eingestellt, sich zu konkreten Fällen geäußert und so Verschwiegenheits- und Neutralitätspflichten verletzt und den rechtsstaatlichen Verlauf eines Strafverfahrens gefährdet. Ein Anspruch auf eine Nebentätigkeitsgenehmigung bestehe nur im Rahmen der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums und der sie konkretisierenden Vorschriften des einfachen Gesetzes. Die Verschwiegenheitspflicht als Polizeibeamter schränke insofern die Meinungsäußerungsfreiheit im dienstlichen Kontext ein. Hinsichtlich der Nebentätigkeit auf „YouTube“ und „Twitch“ lege der Antragsteller selbst dar, dass es sich insoweit anders als bei „TikTok“ um eine gewerbliche Tätigkeit handele. Da die Tätigkeiten bekannt worden seien, komme es auf einen fehlenden Genehmigungsantrag nicht an. Selbst wenn der Antragsteller davon ausgegangen sei, dass es sich bei ihnen um die gleiche Tätigkeit wie auf „TikTok“ handele und sie unter die Anzeige vom 13. Mai 2021 subsumiert werden könnten, habe er gleichwohl auf diesen Plattformen das Ansehen der Polizei mit den inhaltsgleichen Videos gefährdet. Es käme dann nicht auf § 62 LBG (Stand März 2024, Anm. d. Autors), sondern § 63 Abs. 5 LBG (Stand März 2024, Anm. d. Autors) i.V.m. § 5 NtVO (Stand März 2024, Anm. d. Autors) , §§ 101 LBG, §§ 34, 37 und 40 BeamStG an. Nachdem trotz mehreren Ansprachen zu beobachtenden Fortfahren des Antragstellers sei das Vertrauen in ihn derart erschüttert, dass auch keine Auflagenerteilung mehr in Betracht komme.“
„Officer Denny“ hat sodann Klage erhoben und ein Eilverfahren angestrengt.
Soweit der Ausgangspunkt des Sachverhalts.
Nach der Berichterstattung soll die Polizei gegen den Beamten ein Disziplinarverfahren eingeleitet haben. Dieses soll derzeit ruhen, wie die Behördenvertreterin im Prozess erklärt haben soll.
Für kurze Zeit soll der Polizist auch vom Dienst suspendiert worden sein.
Für Sie als Beamtin oder Beamter ist das eine wichtige Information. Denn das bedeutet, dass der Dienstherr die Situation nicht mehr als eine Bagatelle abgetan, sondern extrem ernst genommen hat. Eine Suspendierung erfolgt nämlich nur in den seltenen Fällen in denen eine Klage auf Entlassung aus dem Beamtenverhältnis ins Auge genommen wird oder durch ein Verbleiben im Dienst der Dienstbetrieb oder die Disziplinarermittlungen wesentlich beeinträchtigt werden.
Mit meinen Worten: Der Polizeibeamte hat hier das volle dienstrechtliche Waschprogramm abbekommen. Lustig ist das nicht.
Im Dezember 2023 soll er die Aufforderung erhalten haben, den Dienst wieder anzutreten, sei aber laut dem Dienstherrn zum dem Zeitpunkt krank geschrieben gewesen. In den sozialen Medien sei der Polizeibeamte nach Auskunft der Behördenvertreterin weiter aktiv, unter anderem für den Berufsverband „Unabhängige in der Polizei“.
Für mich als Spezialist im Beamtenrecht ist das keine Überraschung. Denn häufig erkranken Beamtinnen und Beamte, wenn gegen sie ein Disziplinarverfahren durchgeführt wird. Der psychische Druck kann enorm sein. Das gilt umso mehr, wenn an der jeweiligen Dienststelle die Ermittlungen bekannt werden. Kolleginnen und Kollegen sind dann nicht selten im Umgang mit den betroffenen Beamtinnen und Beamten verunsichert und verändern dann gegenüber den Betroffenen ihr verhalten. Mandanten schildern mir immer wieder, dass sie plötzlich nicht mehr von Kollegen gegrüßt werden und eine soziale Isolation erfahren.
#2. Untersagung einer Nebentätigkeit: Welche Gründe führten bei „Officer Danny“ zur Untersagung?
Nachdem wir uns mit dem Sachverhalt beschäftigt haben, ist jetzt natürlich spannend zu erfahren, wie das Gericht in den Eilverfahren und vermutlich auch im Klageverfahren entschieden hat.
Soweit der Dienstherr dem „Officer Denny“ eine Nebentätigkeit auf den social Media Plattformen „TikTok“, „Twitch“ und „YouTube“ untersagt hat, haben sich nach dem Eilbeschluss in erster Instanz der zugrundeliegende Bescheid und Widerspruchsbescheid nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung als rechtmäßig erwiesen.
Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung würde auch das Interesse des Beamten, bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens in der Hauptsache von der Wirkung der Untersagung verschont zu bleiben, überwiegen.
Nach Auffassung des Gerichts spricht viel dafür, dass sich die Rechtmäßigkeit der Untersagung einer Nebentätigkeit auf der Plattform „TikTok“ hier aus § 63 Abs. 5 LBG ergibt.
Gemäß § 63 Abs. 5 LBG (in der seit April 2009 geltenden Fassung) ist eine nicht genehmigungspflichtige Nebentätigkeit ganz oder teilweise zu untersagen, wenn der Beamte bei ihrer Ausübung dienstliche Pflichten verletzt.
Zur Überzeugung der Richter in der ersten Instanz im Eilverfahren hat der Polizeibeamte mit der Tätigkeit als „Influencer“ oder sog. „content creator“ eine beamtenrechtlich relevante Nebentätigkeit ausgeübt, sodass er diese Tätigkeit dem Dienstherrn vorab anzeigen und unter Umständen genehmigen lassen musste.
Im Beschluss zum Az.: 36 L 388/22 des Gerichts wird konkret und lesenswert ausgeführt (Hinweis: im Folgenden ist Antragsteller „Officer Denny“ und Antragsgegner der Dienstherr):
„(…) § 60 Abs. 1 LBG definiert die Nebentätigkeit als die Wahrnehmung eines Nebenamtes oder die Ausübung einer Nebenbeschäftigung. Nebenbeschäftigung ist jede sonstige, nicht zu einem Hauptamt gehörende Tätigkeit innerhalb oder außerhalb des öffentlichen Dienstes (§ 60 Abs. 3 LBG). Eine Nebentätigkeit im Sinne der Vorschriften liegt danach vor bei einer auf Dauer angelegten Tätigkeit, die typischerweise auf die Erzielung von Einkünften ausgerichtet ist. In einer solchen zweitberuflichen Tätigkeit kann die Beeinträchtigung der grundsätzlich im Rahmen des Dienst- und Treueverhältnisses dem Dienstherrn zustehenden Arbeitskraft eines Beamten liegen, weshalb dem Dienstherrn die Prüfung vorbehalten bleibt, ob die konkrete Tätigkeit Auswirkungen auf die Dienstleistung haben kann sowie zudem, ob eine Ansehensschädigung des Beamtentums insgesamt zu befürchten ist (vgl. grundlegend: BDiG Frankfurt, GB v. 29.03.1999, XIV VL 1/99; VG Münster, Urteil v. 20.10.2011, 13 K 2137/09.O; juris). Anders gewendet, liegt eine Nebentätigkeit vor, wenn die (Neben-)Tätigkeit auf Erwerb gerichtet oder wirtschaftlich bedeutsam ist oder wenn sie den Beamten erheblich in Anspruch nimmt (Hess. VGH, Urt. v. 24.09.2003, 1 UE 783/02 m. w. N.; juris).
Dabei ist die Abgrenzung zwischen einer dem Bereich des Freizeitverhaltens zuzuordnenden Hobbytätigkeit und einer beamtenrechtlichen Nebentätigkeit im Einzelfall schwierig. Denn sie bewegt sich im Spannungsfeld der von Art. 2 GG geschützten Freizeitgestaltung des Beamten und dem dienstlichen Interesse des Dienstherrn auf volle Dienstleistung seiner Beschäftigten nach Art. 33 Abs. 5 GG (VG Trier, Urt. v. 10.11.2009, 3 K 361/09.TR; juris). Dementsprechend ist zur Abgrenzung auf Sinn und Zweck der beamtenrechtlichen Vorschriften zur Nebentätigkeit abzustellen. Wegen des Regelungszusammenhangs muss eine Nebentätigkeit im beamtenrechtlichen Sinn eine gewisse Parallelität zum Beamtendienst aufweisen, die typischerweise in Erwerbsstreben zu sehen ist. Im Gegensatz dazu stellt die Freizeitgestaltung typischerweise das Gegenteil des Erwerbsstrebens dar.
Unter Beachtung dieser in der Rechtsprechung und Literatur zu findenden Abgrenzung der Freizeitgestaltung von der beamtenrechtlichen Nebentätigkeit und hat der Antragsteller vorliegend eine Nebentätigkeit ausgeübt. Eine Tätigkeit als „Influencer“ oder sogenannter „content creator“ dürfte zwar regelmäßig als Hobby beginnen und erst nach einiger Zeit an gewerbemelderechtlicher und steuerlicher Relevanz gewinnen (vgl. Köstler, MBP 2019, 207-210). Der Antragsteller gab in seiner Anzeige der Tätigkeit vom 13. Mai 2021 allerdings an, Einnahmen aus dem von der Plattform „TikTok“ zur Verfügung gestellten Kreativitätsfonds zu generieren und beabsichtigte nach Auffassung der Kammer jedenfalls zu diesem Zeitpunkt, den Bereich der bloßen Freizeitgestaltung zu verlassen, seinem Account eine gewisse Professionalität zuzuführen umso jedenfalls das Honorar aus dem Kreativitätsfonds zu erlangen.
§ 63 LBG privilegiert bestimmte Arten von Nebentätigkeiten dadurch, dass sie lediglich anzeigepflichtig sind. Sowohl in seiner Stellungnahme vom 21. Mai 2021 als auch bei Erlass des Bescheides vom 14. Februar 2022 ist der Antragsgegner davon ausgegangen, dass es sich bei den Aktivitäten des Antragstellers auf der Plattform „TikTok“ um eine vorwiegend künstlerische Tätigkeit gehandelt hat, die gemäß § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 LBG nicht genehmigungs-, sondern anzeigepflichtig ist. Für die ursprüngliche Richtigkeit dieser Einschätzung spricht die Auswahl des Klägers für den sog. „Kreativitätsfonds“ der Plattform „TikTok“, aus dem ausweislich der Anlage 2 zum Klageschriftsatz Creator*innen für ihre mobilen Kurzvideos honoriert werden sollen, so dass der Fonds als Unterstützung für besonders zu fördernde kreative Nachwuchscreator*innen anzusehen ist. Leistungen aus einem Fonds, der darauf gerichtet ist, Nachwuchscreator*innen zu fördern, sprechen auch nach Auffassung der Kammer für den künstlerischen Charakter der Tätigkeit des Antragstellers, sodass der Antragsgegner die Nebentätigkeit auf der Plattform „TikTok“ zunächst zutreffend als lediglich anzeigepflichtig nach § 63 Abs. 1 LBG angesehen hat.
Die Tätigkeit durfte dann aber nach § 63 Abs. 5 LBG untersagt werden. Die Vorschrift des § 63 Abs. 5 LBG dient (auch) dem Schutz gegen mögliche Interessen- und Loyalitätskonflikten, was die für eine Genehmigung geltenden entsprechenden Versagungstatbestände im Katalog des § 62 Abs. 2 Nr. 4 LBG belegen. Das streitbefangene Interview mit Herrn F… war geeignet, Zweifel zu begründen, dass der Antragsteller sein Amt pflichtgemäß, unparteiisch, unbefangen und in ungeteilter Loyalität gegenüber dem Wohl der Allgemeinheit wahrnimmt und schon den Anschein möglicher Interessen- und Loyalitätskonflikte vermeidet. Die Kammer hat das Video, dass nach wie vor online unter m…eingesehen werden kann (zuletzt abgerufen am 19. Januar 2023), in Augenschein genommen. Sie teilt die Auffassung des Antragsgegners, wonach der Antragsteller durch das Auftreten in dem Video und dessen Veröffentlichung auf seinem Account bei der Plattform „TikTok“ gegen dienstliche Pflichten aus § 34 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG und § 101 LBG verstoßen hat. Gemäß § 34 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG muss das Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die der Beruf erfordert. Nach § 101 LBG hat ein Beamter das Ansehen der Polizei und Disziplin zu wahren und sich rückhaltlos für die öffentliche Sicherheit und Ordnung und für den Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes und der Verfassung von Berlin einzusetzen. Der Antragsteller, der in dem Livestream bejaht, dass er Polizeibeamter ist, zeigt sich dabei in vertrauter Art und Weise. Dies wird insbesondere durch das Duzen der Gesprächsparteien und die lockere Gesprächsatmosphäre belegt (der eine offenbar auf dem Hometrainer und der andere zurückgelehnt aus der Sportflasche trinkend), in einem Livestream mit einem Beschuldigten in einem laufenden und in der Öffentlichkeit sehr präsenten Strafprozess. Bei dem von ihm gewählten Gesprächspartner handelt es sich dabei um einen polizeibekannten mutmaßlichen „Clan-Chef“. Auch wenn dieser – wie in dem Video mehrfach betont wird – nicht vorbestraft ist, suggeriert das Video ein in Ansehung des Berufsstandes des Antragstellers unakzeptables Näheverhältnis, das nicht nur geeignet ist, das Ansehen der Polizei zu schädigen, sondern vorliegend bereits zu einer erheblichen Schädigung geführt hat. Dies wird durch die getätigten Kommentare während des Livestreams, die Zuschaueranzahl (mehr als 7.500) und die bei dem Antragsgegner eingegangene Beschwerde vom 10. Februar 2022 deutlich. Kommentare wie „Haha wild Cop und F… live“; „Ab morgen suspendiert“; „Er bekommt wie wir Alle am ersten sein Geld vom Amt“; „morgen Kündigung“; „Als Polizist geht er live??? Mit Polizei t Shirt???“; „Der hat bald kein Job mehr“; Morgen der ist auf Straße“; „EWAAA F… HAT JETZT AUCH FREUNDE BEI DER POLIZEI“; „24/7 Polizist [Emoji Polizist] bestimmt von f…gekauft [lachende Emoji`s]“, bestätigen, dass zahlreiche Zuschauer Anstoß an dem Video genommen haben, davon ausgehend, dass Polizeibeamte so etwas nicht dürfen, ein Näheverhältnis zwischen den Gesprächspartnern besteht und auch nicht auszuschließen ist dass der Antragsteller Geld von seinem Gesprächspartner erhalten haben könnte.
Als Polizeibeamter ist der Antragsteller zur Feststellung und Ermittlung von Straftaten berufen und unterliegt dabei besonderen Treuepflichten gegenüber seinem Dienstherrn. Dieser Vorgabe widerspricht jedweder private Kontakt zu mutmaßlichen Mitgliedern des Clan-Milieus und erst recht die Auseinandersetzung mit Beschuldigten eines laufenden Strafverfahrens über Prozessdetails. Das auch nach außen hin die Unparteilichkeit des Antragstellers zumindest in Zweifel gezogen wird, geht aus Kommentaren hervor wie „G… schleust polizeibeamte in TikTok ein, bald ist dieser stream ein beweisdokument“. Der Einwand des Antragstellers, er habe sich nicht als Polizeibeamter der Polizei G… kenntlich gezeigt, sondern sei vielmehr als Privatperson aufgetreten, geht insoweit fehl. Denn aus Kommentaren wie „hat aber T-Shirt an“ „niemals darf ein Polizist mit Dienst Shirt live gehen“; „Als Privatperson zieht man kein Polizei Shirt an“ wird deutlich, dass der Antragsteller, auch wenn er nicht in Polizeiuniform, sondern allenfalls in polizeiähnlicher Kleidung aufgetreten ist, dennoch den Anschein erweckt hat, als Polizist zu handeln, er jedenfalls nach außen hin durch das Tragen des T-Shirts als solcher wahrgenommen worden. Im Übrigen bestätigt er eingangs des Videos Polizeibeamter zu sein. Auch suggeriert sein Profil bei „TikTok“ (abrufbar unter: x…, zuletzt abgerufen am 19. Januar 2023), dass er Polizist ist, indem er bei seiner Profilbeschreibung zunächst den Emoji eines Polizisten abbildet und darunter „Privat hier! Repräsentier hier nur mich“ schreibt, denn durch diese ausdrückliche Ausklammerung geht hervor, dass er zwar privat wahrgenommen werden will, tatsächlich aber Polizist ist. Wenn er dann aber in einem Livestream ein T-Shirt mit der Aufschrift Polizei trägt, wird er von Außenstehenden – wie sich aus den zahlreichen Kommentaren ergibt – gerade nicht als Privatperson wahrgenommen.
b) An der mutmaßlichen Rechtmäßigkeit der Untersagungsverfügung ändert sich nichts dadurch, dass die Nebentätigkeit im Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids (4. Oktober 2022) genehmigungspflichtig im Sinne von § 62 Abs. 1 LBG geworden sein kann. Rechtsgrundlage für die Untersagung der Ausübung einer genehmigungspflichtigen Tätigkeit ist die in § 35 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG gründende allgemeine beamtenrechtliche Folgepflicht (VG Berlin, Urt. v. 22. Juni 2020 – 5 K 95.17 – juris Rn 22). Mit dem Verbot, weiter auf der Plattform „TikTok“ aufzutreten, konkretisierte der Antragsgegner zutreffend die bestehende Rechtslage. Denn die vom Antragsteller auf der Plattform „TikTok“ ausgeübte Nebentätigkeit war nicht genehmigt und nicht genehmigungsfähig.
Nach § 62 Abs. 1 LBG bedürfen Beamte zur Ausübung jeder entgeltlichen Nebentätigkeit, mit Ausnahme der in § 63 Abs. 1 LBG abschließend aufgeführten, der vorherigen Genehmigung, soweit sie nicht nach § 61 LBG zu ihrer Ausübung verpflichtet sind. Nach § 62 Abs. 1 Satz 2 LBG gilt dies auch u. a. (Nr. 2) für gewerbliche oder freiberufliche unentgeltliche Tätigkeiten oder die Mitarbeit in einer dieser Tätigkeiten.
Für eine Einordnung als nunmehr vordergründig gewerbliche und nicht mehr künstlerische Nebentätigkeit spricht insbesondere die vom Antragsteller an den Antragsgegner adressierte E-Mail vom 24. Mai 2022. In dieser hat er angegeben, die Tätigkeiten beim Gewerbeamt als „Content Creator/Streamer für social Media-Plattformen“ anzumelden. Die gewerberechtliche Anzeige nach § 14 GewO spricht nach Auffassung der Kammer entscheidend dafür, dass der Antragsteller nunmehr eine Nebentätigkeit ausübt, die auf Dauer angelegt und bei der die auf Erwerb ausgerichtete Struktur dominiert. Das wird durch die Anmeldung als Gewerbe nach außen hin dokumentiert (Bayr. VGH, Urteil v. 23.03.2011, 16b D 09.2798; juris; VG Berlin v. 22. Juni 2020 – 5 K 95.17 – juris Rn 28). Die Gewerbeanmeldung belegt zugleich, dass der künstlerische Charakter der Tätigkeit in den Hintergrund getreten ist.
Die Genehmigung einer Nebentätigkeit ist zu versagen, wenn zu besorgen ist, dass durch die Nebentätigkeit dienstliche Interessen beeinträchtigt werden (§ 62 Abs. 2 Satz 1 LBG). Eine „Besorgnis“ wie sie das Gesetz erfordert, ist anzunehmen, wenn bei verständiger Würdigung der gegenwärtig erkennbaren Umstände des jeweiligen Einzelfalles und in Anbetracht der erfahrungsgemäß zu erwartenden Entwicklung eine Beeinträchtigung wahrscheinlich ist. Die bloße (nicht auszuschließende) Möglichkeit reicht einerseits nicht aus; ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit, dass es in absehbarer Zeit zu einer Beeinträchtigung kommen werde, ist andererseits nicht erforderlich (vgl. Schnellenbach/Bodanowitz BeamtenR, § 8 Nebentätigkeit Rn. 16, beck-online). Der Begriff der dienstlichen Interessen ist verwaltungsgerichtlich voll nachprüfbar und durch die Aufzählung wesentlicher Versagungsgründe in § 63 Abs. 2 Satz 2 LBG konkretisiert, ohne abschließend zu sein. Das Gesetz verwendet ausdrücklich den Begriff „insbesondere“. Danach sind vorliegend die Regelversagungsgründe des § 62 Abs. 2 Satz 2, Nr. 2, Nr. 4 und Nr. 6 LBG einschlägig.
Nach § 62 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 LBG ist die Genehmigung einer Nebentätigkeit zu versagen, wenn sie die Beamtin oder den Beamten in einen Widerstreit mit ihren oder seinen dienstlichen Pflichten bringen kann. Der zweite benannte Versagungsgrund erfasst alle dienstlichen Pflichten des jeweiligen Beamten, zB auch die zur kollegialen Zusammenarbeit, die Gefährdung der Unbefangenheit und Unparteilichkeit oder die Geheimhaltungspflicht (Vgl. Battis BBG/Battis, 6. Aufl. 2022, BBG § 99 Rn. 10, beck-online). Wie gesehen hat sich der Antragsteller durch das streitbefangene Video mit F…in einen erheblichen Widerstreit mit seiner Pflicht zur Unbefangenheit und Unparteilichkeit gebracht (s.o.).
Ferner ist hier der vierte benannte Versagungsgrund – das Verbot einer Nebentätigkeit, die die Unparteilichkeit oder Unbefangenheit des Beamten beeinflussen kann, § 62 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 LBG – einschlägig. Anders als bei § 42 Abs. 2 ZPO genügt bereits die Möglichkeit einer Beeinflussung der Unbefangenheit des Beamten, ohne dass aus der Sicht des Bürgers ein Misstrauen gegen die Unparteilichkeit gerechtfertigt sein muss (BVerfGE 60, 254). Unbefangenheit und Unparteilichkeit sind aus der objektiven Sicht des Dienstherrn zu bestimmen, ohne dass der Beamte konkret voreingenommen sein muss (Vgl. Battis BBG/Battis, 6. Aufl. 2022, BBG § 99 Rn. 13). Nach objektiver Sicht des Antragsgegners hat der Antragsteller insbesondere durch die Art der Gesprächsführung (Duzen) und den ausgewählten Gesprächspartner das Misstrauen erweckt, dass er möglicherweise nicht unparteiisch und unbefangen agiert. Darüber hinaus ist es bei Dienstkräften, die auf ihren Kanälen als Polizeibeamte auftreten oder bei denen – wie im vorliegenden Fall jedenfalls seit dem Livestream mit Herrn F…– bekannt ist, dass es sich um Polizeibeamte handelt, eine Werbung für bestimmte Internetseiten oder bestimmte Produkte mit der Tätigkeit als Polizeibeamter unvereinbar. Der Antragsteller verlinkt auf seinem TikTok-Profil mit den Worten „Support4“ die folgende Internetseite: m…zuletzt abgerufen am 19. Januar 2023, auf der sog. „HUG CPS“ Artikel erhältlich sind. Dadurch entsteht der Eindruck, er nutze die Stellung seines Amtes und der damit verbundenen Polizeitätigkeit aus, um weitere Einnahmen zu generieren. Den vom Antragssteller geltend gemachten reinen Hinweischarakter vermag die erkennende Kammer insoweit nicht zu erkennen. Denn die hier gewählte Wortwahl „Support4“ übersetzt „Unterstützung für“ erweckt vielmehr den Eindruck von produktplatzierter Werbung. Dass der Antragsteller auch objektiv den Eindruck erweckt, Polizeibeamter zu sein, wird durch das Tragen eines T-Shirts mit der Aufschrift Polizei (ohne dass es sich dabei um Dienstkleidung handelt) und dem verwendeten Emoji (Polizist) deutlich (s.o.).
Daneben konnte dem Kläger die Nebentätigkeit aber auch aufgrund des § 62 Abs. 2 Satz 2 Nr. 6 LBG nicht genehmigt werden, weil ihre Ausübung dem Ansehen der öffentlichen Verwaltung abträglich sein kann. Der Versagungsgrund des § 62 Abs. 2 Satz 2 Nr. 6 LBG ist im Kontext zu § 34 Satz 3 BeamtStG zu betrachten. Danach muss das Verhalten der Beamten auch außerhalb des Dienstes „der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die ihr Beruf erfordern (Vgl. Schnellenbach/Bodanowitz BeamtenR, § 8 Nebentätigkeit Rn. 23, beck-online). Dass es bereits zu einer Ansehensschädigung der Polizei gekommen ist, ergibt sich aus obigen Erwägungen.
Etwaige Auflagen nach § 62 Abs. 4 LBG als milderes Mittel kommen nicht in Betracht. Denn der Antragsteller steht im Verdacht, entgegen einer ihm erteilten Auflage in 21 Fällen Videos eingestellt zu haben, die in bzw. auf polizeilichen Liegenschaften gefertigt worden sein sollen. Ferner hat er weitere Nebentätigkeiten auf den Plattformen „YouTube“ und „Twitch“ aufgenommen (dazu s.u.), ohne diese vorab anzuzeigen oder aber genehmigen zu lassen. Der Antragsgegner durfte insoweit insbesondere nach den vorherigen Sensibilisierungsgesprächen davon ausgehen, dass der Antragssteller nicht willens oder jedenfalls nicht in der Lage ist, seinen social-Media-Account auflagenkonform zu betreiben und weitere Auflagen jedenfalls nicht zur Vermeidung einer Beeinträchtigung von dienstlichen Interessen geführt hätten.
c) Nach summarischer Prüfung hat der Antragsgegner mit Bescheid vom 15. Juni 2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Oktober 2022 ferner rechtmäßig die Ausübung weiterer Nebentätigkeiten auf den Plattformen „YouTube“ und „Twitch“ nach § 62 Abs. 2 versagt. Aus den oben erwähnten Gründen handelt es sich (auch) bei den Aktivitäten auf diesen Accounts um genehmigungspflichtige Nebentätigkeiten. Dahinstehen kann, dass der Antragsteller keinen förmlichen Antrag auf eine Genehmigung der Nebentätigkeit auf den Plattformen „YouTube“ und „Twitch“ gestellt hat. Der Antragsgegner hatte Anlass zum Eingreifen, da der Antragsteller auf diese Plattformen bereits entsprechende Videos hochgeladen hat. So erfolgte bspw. die Einstellung eines Videos mit dem Titel „T…“ am 30. April 2022.
Der Antragsgegner durfte diese weiteren Nebentätigkeiten versagen, da die Regelversagungsgründe des § 62 Abs. 2 Satz 2, Nr. 2, Nr. 4 und Nr. 6 LBG insoweit einschlägig sind. Die Nebentätigkeiten auf den Plattformen „Twitch“ und „YouTube“ sind geeignet, dienstliche Interessen zu beeinträchtigen. Dies folgt einerseits aus den Erwägungen, die bereits in Bezug auf die Nebentätigkeit auf der Plattform „TikTok“ angestellt worden sind. Den insoweit streitigen Livestream mit Herrn F…hat der Antragsteller ebenfalls auf „YouTube“ eingestellt. Überdies führte er ein Interview mit einem bereits mehrfach verurteilten Rap-Musiker „K…“ (einsehbar unter: x…zuletzt abgerufen am 19. Januar 2023) bevor er seine Tätigkeit auf „YouTube“ angezeigt oder sich genehmigen lassen hat, obwohl er auf die entsprechende Notwendigkeit im Bescheid vom 14. Februar 2022 ausdrücklich hingewiesen worden ist. In dem Interview tauschen sich die Gesprächspartner konkret über einen Polizeieinsatz aus dem Jahr 2019 aus, bei dem der Rapper „K…“ ohne Führerschein angetroffen wurde, die Beamten fortwährend beleidigte, sich dabei von seiner Freundin filmen ließ und dies anschließend ins Internet stellte. Auch insoweit wird in lockerer Gesprächsatmosphäre über brisante politische und polizeiliche Themen in der „Du“-Form gesprochen und Analyse betrieben. Wie oben bereits ausgeführt sind derartige Interviews geeignet, den Antragsteller in Widerstreit mit seinen dienstlichen Pflichten zu bringen, Unparteilichkeit und Unbefangenheit zu beeinflussen sowie dem Ansehen der öffentlichen Verwaltung abträglich zu sein (s. o). Denn ein privater Kontakt, der in sozialen Medien zur Schau gestellt wird, mit einer Person, die öffentlichkeitswirksam jedenfalls gegen Teile der Polizei eine Abneigung hegt, ist für Beamte und Beamtinnen der Polizei mit ihren dienstlichen Pflichten grundsätzlich nicht vereinbar. Der Antragsgegner hat insofern weiter zutreffend ausgeführt, dass bei verbalen Angriffen gegen eigene Kollegen und Kolleginnen der Polizei eine lockere und Zusammenhalt signalisierende Unterhaltung äußerst reputationsschädigend wirkt. Der Antragssteller agiert auf diese Weise jedenfalls nicht loyal gegenüber dem Antragsgegner und dessen Dienstkräften.
Auch in Bezug auf die hier streitigen Plattformen suggerieren der Profilname „t…“, die Darstellung des Profils mit einem Polizei Emoji beginnend x…zuletzt abgerufen am 19. Januar 2023) und die Tatsache, dass der Antragsteller in den Videos angibt, Polizist zu sein wenn auch nicht als solcher zu handeln, den Zuschauern, dass er als Polizist auftritt. In dem Interview mit „K…“ setzt sich der Antragsteller damit auseinander, was ein Polizeibeamter in welcher Situation zu tun hat. Jedenfalls dadurch wird er als Vertreter der Polizei wahrgenommen.
Etwaige Auflagen nach § 62 Abs. 4 LBG zur Abwendung einer Untersagung kommen nicht in Betracht. Der Antragsteller hat vielmehr durch sein Verhalten gezeigt, dass er unbeeindruckt von etwaigen Sensibilisierungsgesprächen oder erlassenen Bescheiden weiter vordergründig ein Interesse an der Weiterverbreitung brisanter Videos, als der Wahrung dienstlicher Interessen hat.
3. Es besteht auch ein besonderes, das Aussetzungsinteresse des Antragstellers überwiegendes öffentliches Interesse im Sinne des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO an der sofortigen Vollziehung der Untersagungsverfügungen. Der von dem Antragsgegner vorgebrachte begründete Verdacht, dass der Antragsteller im Zusammenhang mit seinen Nebentätigkeiten Dienstpflichten verletze, und die Besorgnis, dass eine weitere Ausübung der Nebentätigkeit dem Ansehen der öffentlichen Verwaltung abträglich wäre, begründen ein überwiegendes Vollziehungsinteresse.
Auch die Erwägung des Antragsgegners, dass gerade für die besonders im Blickpunkt der Öffentlichkeit stehende Polizei die Gefahr eines nachhaltigen Vertrauensverlustes in der Bevölkerung durch Beschäftigung charakterlich ungeeigneter Mitarbeiter besonders groß ist, rechtfertigt die Annahme eines überwiegenden öffentlichen Vollzugsinteresses. Als Inhaber weitreichender Befugnisse bei der Bekämpfung von Kriminalität steht die Polizei hinsichtlich ihrer Glaubwürdigkeit in besonderem Maße unter dem kritischen Blick der Öffentlichkeit. Eine auch nur vorübergehende Duldung einer Nebentätigkeit von Polizisten, deren Verhalten den Aufgaben der Behörde zuwiderläuft, ist geeignet, dem Ansehen der Behörde und dem zur Ausübung ihrer Aufgaben dringend erforderlichen Vertrauen in der Bevölkerung nachhaltigen Schaden zuzufügen. Demgegenüber sind vorrangige persönliche Interessen des Antragstellers nicht ersichtlich.“
#3. Untersagung einer Nebentätigkeit: Was tun bei Problemen?
Wenn Sie als Beamtin oder Beamter einmal selbst Probleme mit der Untersagung einer Nebentätigkeit haben, ist es wichtig, dass Sie sich rechtlich beraten, besser noch, anwaltlich vertreten lassen.
Sofern Ihnen eine Nebentätigkeit nicht genehmigt oder untersagt wird, können Sie gegen die Entscheidung des Dienstherrn in der Regel Widerspruch erheben. Mitunter ist zu prüfen, ob Sie ein Eilverfahren beim Verwaltungsgericht durchführen sollten. Der Entscheidung des Dienstherrn sind Sie nämlich nicht schutzlos ausgeliefert und gerade das Widerspruchsverfahren dient dazu, dass der Dienstherr seine Entscheidung nochmal selbst überprüfen kann.
Wenden Sie sich für eine anwaltliche Beratung oder Vertretung unbedingt an einen Spezialisten im Beamtenrecht. Nach meinem Verständnis sind Spezialisten im Beamtenrecht Fachanwälte für Verwaltungsrecht, die ihren Beratungsschwerpunkt eindeutig auf das Beamtenrecht gelegt haben.
Der Hintergrund ist der, dass die Beamtinnen und Beamten sich häufig mit den einschlägigen Rechtsgrundlagen nicht auskennen und sie zu ihrem Vorteil mitunter schlicht falsch interpretieren. Das kann schlimme beamtenrechtliche Konsequenzen bis hin zur Entlassung aus dem Dienstverhältnis nach den Disziplinargesetzen haben.
Wer sich dann zum Beispiel an einen Fachanwalt für Arbeitsrecht wendet, der das Beamtenrecht (angeblich) mit abdeckt, kann eher Gefahr laufen fehlerhaft oder leichtfertig falsch beraten zu werden. Fachanwälte für Arbeitsrecht sind es gewohnt mitunter „lockerer“ beraten und mit Gegnern verhandeln, ja sogar Vergleiche abschließen zu können. Aus diesem arbeitsrechtlichen Mindset heraus, laufen Sie als Beamtin oder Beamter dann Gefahr, auf dem beamtenrechtlichen Parkett auszurutschen.
Als Spezialist im Beamtenrecht berate und vertrete ich deutschlandweit Beamtinnen und Beamte. Insbesondere für Beamtinnen und Beamte aus Hamburg, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern lohnt sich eine Beratung und Vertretung aufgrund der räumlichen Nähe. Beamtinnen und Beamte aus anderen Bundesländern empfehle ich, sich vorab einmal umzusehen, ob sich ein Spezialist für Beamtenrecht bei ihnen in räumlicher Nähe befindet.