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Distanzierungspflicht von Beamten in Chatgruppen

20. Dezember 2024

Beamtinnen und Beamte können sich in Chatgruppen, wie z.B. WhatsApp, in größte Schwierigkeiten bringen.

Das kann passieren, wenn Sie selbst etwas in eine Chatgruppe posten.

Es kann aber auch sein, dass ihnen ein Post eines anderen Chatgruppenmitglieds zum Verhängnis wird.

Während in der einen Sekunde der Chatverlauf für die Beamtin oder den Beamten nur der „Unterhaltung“ gedient hat, kann er in der nächsten Sekunde Gegenstand eines höchst unerfreulichen Disziplinarverfahrens sein.

Im schlimmsten Fall droht dann die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis oder die Ablehnung einer Berufung in ein Beamtenverhältnis auf Probe oder auf Lebenszeit.

Gerade wenn der kritische Post in der Chatgruppe durch einen Dritten erfolgt ist, stellt sich die Frage, ob Beamtinnen und Beamte eine Distanzierungspflicht haben.

In diesem Beitrag erhalten Sie einen Überblick, wie Sie als Beamtin oder Beamter am besten mit Posts von Dritten umgehen können, wenn diese rechtlich problematisch sind und wann Sie sich aktiv distanzieren sollten.

I. Distanzierungspflicht von Beamten

Die Verpflichtung zur Verfassungstreue verlangt, dass Beamtinnen und Beamte sich zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht nur bekennen, sondern auch aktiv für sie eintreten müssen.

Damit geht einher, dass Beamtinnen und Beamte sich eindeutig von Gruppen und Bestrebungen distanzieren, die den Staat, seine verfassungsmäßigen Organe und die geltende Verfassungsordnung angreifen, bekämpfen und diffamieren.

Vor diesem Hintergrund wird in Rechtsprechung und Literatur die Auffassung vertreten, dass Beamtinnen und Beamte in Bezug auf in Chatgruppen von anderen Personen getätigte Äußerungen, eingestellte Bilder und Videos, welche sich wegen ihres rassistischen, menschenfeindlichen oder rechtsextremen Inhalts gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung richten, hiervon zu distanzieren bzw. dem entgegenzutreten haben (vgl. hierzu mit weiteren Nachweisen Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil v. 02.05.2024, Az.: 1 A 271/23, Rn. 88).

II. Distanzierungspflicht von Beamten – Einzelfallbetrachtung erforderlich

Ob sich eine Beamtin oder ein Beamter in einem Chat von geteilten Inhalten Dritter distanzieren muss, unterliegt einer Einzelfallbetrachtung.

Dabei wird zwischen eindeutigen Inhalten und mehrdeutigen Inhalten zu unterscheiden sein.

II.1. Distanzierungspflicht von Beamten – Eindeutige Inhalte

Bei sogenannten eindeutigen Inhalten gilt, dass je mehr die eingestellten Dateien nach Inhalten und/oder Menge sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung richten oder in Widerstreit mit ihren Forderungen stehen, sich desto mehr auch die Verfassungstreuepflicht der Beamtinnen und Beamten zur Pflicht zum aktiven Einschreiten verdichtet.

Qualität und/oder Quantität der eingestellten Dateien steuern dabei sowohl das Entstehen der Pflicht zum aktiven Tätigwerden als auch dessen Art und Weise.

Insbesondere bei eingestellten Dateien, die Ziele oder Taten des verbrecherischen NS-Regimes verharmlosen sowie Kennzeichen, Symbole oder sonstige Bestandteile der NS-Ideologie (wieder) gesellschaftsfähig machen und gleichsam im Sinne der „nationalsozialistischen Sache“ wirken, verlangt die Verfassungstreuepflicht zwingend ein Entgegentreten (vgl. Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil v. 02.05.2024, Az.: 1 A 271/23, Rn. 89, mit Verweis auf: OVG NRW, Beschluss vom 25. März 2021 – 6 B 2055/20 -, juris Rn. 53; Nitschke, ZBR 2022, S. 112 <116 f.>; Nitschke/Beckmann, NVwZ Extra 13/2011, S. 1 <4>).

In der Praxis dürften für die Beamtinnen und Beamten in diesen Fällen eine hohe Belastung einhergehen.

Sie müssen zunächst alleine Einschätzen, ob die Qualität und/oder Quantität der durch einen Dritten eingestellten Datei für Sie eine Pflicht zum aktiven Tätigwerden verpflichtet.

Dann müssen Sie sich auch entscheiden, ob Sie als Beamtin oder Beamter die Chatgruppe verlassen und/oder sich für einen klarstellenden Post entscheiden oder schweigen wollen.

Problematisch wird es spätestens in den Fällen, wo Sie als Beamtin oder Beamter von einem Post keine oder keine eindeutige Kenntnis erlangt haben und gar nicht prüfen konnten, ob eine Distanzierungspflicht bestand oder nicht.

Am Ende des Beitrags finden Sie Hinweise, wie Sie sich als Beamtin oder Beamter verhalten können.

II.2. Distanzierungspflicht von Beamten – Mehrdeutige Inhalte

Jedenfalls bei in WhatsApp-Gruppen von anderen Teilnehmern eingestellten Dateien mit mehrdeutigen Inhalten wird eine generell und umfassend bestehende Pflicht zur Distanzierung in der Rechtsprechung wohl abgelehnt (vgl. hierzu Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil v. 02.05.2024, Az.: 1 A 271/23, Rn. 89).

Ob und ggf. in welcher Form die Verfassungstreuepflicht von Beamtinnen und Beamten eine Distanzierung oder ein sonstiges aktives Eintreten für die freiheitlich demokratische Grundordnung verlangt, ist namentlich bei Dateien mit mehrdeutigen Inhalten nach der Rechtsprechung einzelfallabhängig.

Dies gebietet nach dem oben genannten Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshof der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sowohl im Hinblick auf die Grundrechte der Beamten als auch in Bezug auf das Verfassungsgut der Funktionsfähigkeit der Verwaltung.

So sei eine Beamtin oder ein Beamter wie jeder andere Mensch auf Kommunikation in einer sozialen Gemeinschaft angewiesen.

Die Kommunikation erfolge verstärkt, wenn nicht bei jüngeren Menschen überwiegend, elektronisch mittels sozialer Medien und Kurznachrichtendienste, wie z. B. WhatsApp.

Von einem Beamten, der aufgrund seines Amtes zum aktiven Eintreten für die freiheitlich demokratische Grundordnung verpflichtet sei, zu verlangen, auf jede ihm übersandte inhaltlich fragwürdige Nachricht reagieren zu müssen, sei zum Schutz der freiheitlich demokratischen Grundordnung weder erforderlich noch angemessen.

Die fehlende Angemessenheit zeige sich besonders deutlich bei Gruppenchats, die auch dienstlichen Charakter haben.

Beamtinnen und Beamte würden zum einen regelmäßig auf die in dem Chat auch geteilten dienstbezogenen Informationen angewiesen sein.

Zum anderen hätte eine generelle und umfassende Pflicht zur Distanzierung oder zu einem sonstigen Aktivwerden, die bereits bei einem ersten oder einzelnen potentiell beanstandungswürdigen Inhalt(en) einsetzt, eine Beeinträchtigung des freien und ungezwungenen kollegialen Meinungsaustausches zur Folge, die der Funktionsfähigkeit der Verwaltung abträglich sei.

Die Rechtsprechung versucht hier im Disziplinarrecht also einen ausgewogenen Prüfungsmaßstab zu entwickeln.

Da es auf die Gesamtumstände ankommen soll, sind die Beamtinnen und Beamten angehalten, sich stets selbstkritisch zu hinterfragen, um nicht in disziplinarrechtliche Schwierigkeiten zu kommen.

II.3. Distanzierungspflicht von Beamten – Schwierigkeiten bei der Prüfung

Was hier zunächst kurz und klar strukturiert erscheinen mag, beutet in der Praxis eine aufwendige Prüfung.

Erst Recht für die Beamtinnen und Beamten selbst, aber auch für Dienstvorgesetzte und Ermittlungsführer in Disziplinarverfahren.

Selbst wenn eine ausführliche Prüfung erfolgt sein sollte, kann es sein, dass wenn das Verfahren zu einem Verwaltungsgericht gelangt, die dortigen Richterinne und Richter den Prüfungsmaßstab im Einzelfall lockerer oder strenger handgaben.

Dienstherrn sind tendenziell schnell bei der Annahme einer schwerwiegenden Dienstpflichtverletzung, die eine Entfernung aus dem Dienst rechtfertigen können soll.

Hintergrund dürfte sein, dass in den letzten Jahren gerade bei Polizistinnen und Polizisten (rechts-)extreme Posts in Chatgruppen öffentlich geworden sind und – disziplinarrechtlich relevant oder nicht – für großes Entsetzen in der Öffentlichkeit gesorgt haben.

Ob die Verwaltungsgerichte in Zukunft bei den bisher entwickelten Prüfungsmaßstäben zu mehrdeutigen Inhalten bleiben, bleibt abzuwarten.

Denn die Ermittlung des objektiven Gehalts einer Aussage bzw. eines Posting in einer Chatgruppe oder allgemein in den sozialen Medien dürfte noch anspruchsvoller werden.

Hierauf weist auch Prof. Dr. Andreas Nitschke in seinem Beitrag „Mehrdeutiges Verhalten von (angehenden) Staatsdienern in WhatsApp-Gruppen“, NVwZ, 2024, 1904 ff., zutreffend hin.

Er geht davon aus, dass dies in der immer häufiger wahrgenommenen und gerade in der rechtsextremen Szene verbreiteten Strategie begründet liegen dürfte, verfassungsfeindliches Gedankengut ganz bewusst in vermeintlich scherzhaften oder mehrdeutigen Bildern oder Videos gewissermaßen zu verstecken („codieren“), um so die wahre Absicht zu verschleiern und eher unterschwellig zu transportieren.

Er berichtet in seinem Beitrag, dass vor diesem Hintergrund zuletzt besonders häufig eine im Gewande des Humors verborgene „Verharmlosung nationalsozialistischer Ideen“ aufgefallen sei.

Vermeintlicher Humor würde daher immer öfter bewusst eingesetzt, um die Grenzen des Sagbaren zu verschieben und entsprechende Gedankengut, gewissermaßen durch Verharmlosung und als Humor getarnt, sukzessive wieder hoffähig zu machen.

Damit würde gerade eine Mehrdeutigkeit angestrebt und eindeutige Aussagen bewusst vermieden werden, wobei aber die Adressaten entsprechender Dateien genau wissen würden, was wirklich gemeint sei.

Damit könne die Meinungsfreiheit an ihre Grenzen gelangen.

Der zur Ermittlung des objektiven Inhalts einer Aussage zitierte unbefangene Dritte dürfte hier nur dann einen mit der Verfassungstreuepflicht objektiv nicht in Einklang stehenden Inhalt erkennen, sofern auch die weiteren Umstände des Einzelfalls einen solchen Eindruck stützen würden.

III. Distanzierungspflicht von Beamten – Was kann ich bei Problemen tun?

Beamtinnen und Beamte die Mitglied in Chatgruppen, z.B. wie WhatsApp, sind, sollten also aufmerksam sein.

Sofern in einer Chatgruppe Inhalte gepostet werden, die sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung richten/richten können oder in Widerstreit mit ihren Forderungen stehen/stehen können, haben sie grundsätzlich mehrere Möglichkeiten.

Eine abschließende Auflistung der Möglichkeiten ist mir hier nicht möglich und ist auch immer vom konkreten Einzelfall abhängig.

Grundsätzlich können Sie eine Chatgruppe verlassen oder einen eigenen Post mit einer Distanzierung verfassen.

Sie können auch überlegen zu schweigen.

Das kann, muss nicht, mit Nachteilen für Sie verbunden sein, die von unterschiedlichen Umständen abhängen können.

Sofern ein Disziplinarverfahren eingeleitet wurde oder werden könnte, bitte ich Sie meine 5 Verhaltenstipps zu berücksichtigen.

Unabhängig von einer disziplinarrechtlichen Würdigung, können Ihnen Posts bei einer Verbeamtung gefährlich werden, sollte der Dienstherr zu der Ansicht gelangen, dass Ihnen die charakterliche Eignung fehlt.

Bei einem kritischen mehrdeutigen Posts eines Dritten in einer Chatgruppe in der Sie Mitglied sind, empfehle ich Ihnen im Zweifel ein Gespräch mit einem Anwalt für Beamtenrecht zu suchen.

Dann können Sie in einem ersten Schritt in einem Erstberatungsgespräch die Sach- und Rechtslage erörtern und überlegen, was Sie als nächstes tun möchten.

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