Am Ende war es nur ein Tropfen, der dass Fass zum Überlaufen gebracht hat.
Die Entlassung eines Polizisten aus dem Beamtenverhältnis auf Probe, der neben dem Streifenwagen in Uniform in der Öffentlichkeit uriniert hat, hat ihn anscheinend dennoch überrascht.
Wer sich aber mit der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 27.09.2024, Az.: 6 B 461/24 auseinandersetzt merkt schnell, dass hier eine Gesamtschau zur Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Probe wegen fehlender charakterlicher Eignung führen durfte.
In diesem Beitrag erfahren Sie, welchen Prüfungsmaßstab die Gerichte bei der Bewährung im Beamtenverhältnis auf Probe in Bezug auf die charakterliche Eignung angelegt haben, was der entlassene Polizist getan hat und wie das Gericht den Sachverhalt gewürdigt hat.
Wenn Sie als Beamtin oder Beamter selbst von einer Entlassung aus dem Dienst betroffen sein sollten, finden Sie am Ende des Beitrags noch Hinweise, was Sie gegen die Entlassung tun können.
I. Entlassung – Keine Bewährung bei Zweifeln an der charakterlichen Eignung
Die Gerichte haben bei ihrer Entscheidung über die Bewährung in der Probezeit des Beamten den folgenden Prüfungsmaßstab zugrunde gelegt:
Die Entscheidung des Dienstherrn darüber, ob sich der Beamte in der Probezeit nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung für das konkret angestrebte Amt bewährt hat, ist ein Akt wertender Erkenntnis, der nach ständiger verwaltungsgerichtgerichtlicher Rechtsprechung nur eingeschränkter gerichtlicher Überprüfung unterliegt.
Diese Entscheidung erfordert eine Bewertung des Dienstherrn, der letztlich nur selbst entscheiden kann, welche Anforderungen das angestrebte Amt stellt.
Das Gericht ist in diesem Zusammenhang darauf beschränkt zu überprüfen, ob der Dienstherr den angewendeten Begriff der Bewährung und den gesetzlichen Rahmen des Beurteilungsspielraums verkannt hat, ob er von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt hat, vgl. OVG NRW, Urteil vom 9.6.2022, Az.: 6 A 2041/18, Rn. 188, mit weiteren Nachweisen.
Die Bewährung des Beamten erfordert unter dem Aspekt der charakterlichen Eignung die sichere Erwartung, dass der Beamte auch abgesehen von den fachlichen Anforderungen die dienstlichen und außerdienstlichen Beamtenpflichten erfüllen wird.
Für die charakterliche Eignung ist daher die prognostische Einschätzung entscheidend, inwieweit der Beamte der von ihm zu fordernden Loyalität, Aufrichtigkeit, Zuverlässigkeit, Fähigkeit zur Zusammenarbeit und Dienstauffassung gerecht werden wird.
Dies erfordert eine wertende Würdigung aller Aspekte des Verhaltens des Beamten, die einen Rückschluss auf die für die charakterliche Eignung relevanten persönlichen Merkmale zulassen.
Die Zweifel können sich sowohl aus dienstlichem als auch aus außerdienstlichem Verhalten ergeben. Bloße Mutmaßungen reichen nicht aus. Geboten ist eine Gesamtwürdigung aller relevanten Umstände, vgl. OVG NRW, Urteil vom 9.6.2022, Az.: 6 A 2041/18, Rn. 188.
II. Entlassung – Sachverhalt
Der Dienstherr hatte die vom Polizisten angegriffene Entlassungsverfügung auf seine fehlende charakterliche Eignung gestützt und darauf abgestellt, dass dieser die nötige Besonnenheit, Beherrschtheit und Integrität habe vermissen lassen, um der Vorbildfunktion und der besonderen Vertrauens- und Garantenstellung, die er als Polizeivollzugsbeamter in der Öffentlichkeit genieße, gerecht zu werden, und außerdem nicht über die erforderliche Einstellung zu der Einhaltung und Befolgung von Gesetzen bzw. gesetzlichen Pflichten verfüge.
Dem Polizisten wurde vorgeworfen, dass er den Streifenwagen für ca. 15 Minuten auf dem Seitenstreifen im absoluten Halteverbot vor einem Hotel abgestellt hat, um dort einen Kaffee zu trinken.
Zudem wurde dem Polizisten vorgeworfen, dass er an mindestens zwei Tagen in der Öffentlichkeit in unmittelbarer Nähe zum Streifenwagen uriniert hat.
Dazu wurde ihm seine Äußerung vorgehalten, bei der Fernsehsendung „Germanys Next Topmodel“ liefen „nur Qutenn***r“ rum.
Letztlich hat sich der entlassene Polizist regelmäßig unangemessen im Umgang mit Bürgerinnen und Bürgern verhalten.
Als Beispiel wurde angeführt, dass der Polizist einen Bürger wegen eines Rotlichtverstoßes lautstark aus dem Beifahrerfenster schreiend ermahnt hat.
In einem anderen Fall soll sich ein Bürger bei ihm nach einer Straße erkundigt haben, in der sich eine Thai-Massage befinden sollte. Hierauf hat der Polizist mit der Frage „mit happy end?“ nachgefragt haben.
III. Entlassung – Rechtliche Würdigung durch das Gericht
Gegen die Entlassungsverfügung ist der Polizist beim Verwaltungsgericht mit einem Eilantrag vorgegangen.
Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hat in seinem Beschluss vom 02.05.2024, Az.: 2 L 2645/23 (nicht veröffentlicht, Stand Oktober 2024), den Antrag zurückgewiesen.
Gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts erhob der Polizist Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht.
Der Polizist wandte unter anderem ein, dass es sich bei den ihm vorgeworfenen Verfehlungen lediglich um Bagatellen handeln würde, die auch in einer Zusammenschau eine Entlassung nicht rechtfertigen könnten.
Dazu versuchte er mit seiner Beschwerde aufzuzeigen, dass der Dienstherr allgemein gültige Wertmaßstäbe missachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt hätte.
Dem ist das Oberverwaltungsgericht in seiner Entscheidung nicht gefolgt.
In seinem Beschluss geht das Gericht auch näher auf die Details der Vorwürfe ein.
III.1. Entlassung – Keine Bagatelle
Mit dem Einwand, es handele sich bei den ihm vorgeworfenen Verfehlungen lediglich um Bagatellen, die auch in der Zusammenschau eine Entlassung nicht rechtfertigen könnten, drang der Polizist bei Gericht nicht durch.
Durch das ordnungswidrige Abstellen des Streifenwagens auf dem offensichtlich mit einem absoluten Halteverbot belegten Seitenstreifen hat der Polizist nach der Auffassung des Gerichts gegen seine Pflicht als Polizeivollzugsbeamter verstoßen, für die Einhaltung von Gesetz, Recht und Ordnung einzustehen.
Die mit seinem Verhalten verbundene Außenwirkung habe ihn offensichtlich nicht von seinem Vorhaben abgehalten, für seine Kaffeepause den Streifenwagen nicht nur im absoluten Halteverbot, sondern in besonders prominenter Lage vor einem gehobenen Hotel in einer Querstraße abzustellen.
Sein Verhalten würde ferner belegen, dass er nicht hinreichend in der Lage sei, zwischen einem privaten Aufsuchen des Hotels außerhalb des Dienstes einerseits und in Dienstkleidung mit dem Polizeifahrzeug andererseits zu differenzieren.
Als Bagatelle würde sich das Fehlverhalten auch nicht mit Rücksicht auf das weitere Beschwerdevorbringen des Polizisten darstellen, Kollegen stellten häufig den Funkstreifenwagen ordnungswidrig auf dem Gehweg vor Gerichtsgebäuden ab oder hielten in zweiter Reihe, letzteres, um etwa eine Pizza abzuholen.
Zum einen ist nach Auffassung der Richter nicht zu erkennen und sei mit der Beschwerde auch nicht dargelegt worden, dass ein solches ansehensschädliches Fehlverhalten generell toleriert würde; zum anderen lässt die Beschwerde dabei die herausgehobenen Umstände des Einzelfalls außer Betracht.
Darüber hinaus würde es ins Gewicht fallen, dass sich der Polizist zum Zeitpunkt des fraglichen Verstoßes erst knapp vier Wochen im Amt befunden hat.
Selbst wenn er tatsächlich bereits so kurz nach seinem Amtsantritt gemeint haben sollte, den Streifenwagen für eine Kaffeepause folgenlos im absoluten Halteverbot abstellen zu können, käme darin ein Hang zur Ausnutzung der ihm eingeräumten Machtposition und eine Nachlässigkeit in Bezug auf die Einhaltung von Gesetz, Recht und Ordnung zum Ausdruck, zu deren Verteidigung er ausgebildet und zum Polizeivollzugsbeamten ernannt worden sei.
Dass der Dienstherr u. a. diesem ordnungswidrigen Verhalten entnommen habe, der Antragsteller lasse in der Rolle und Vorbildfunktion als Polizeivollzugsbeamter die nötige Besonnenheit, Beherrschtheit und Integrität vermissen, ist nach Auffassung der Richter nicht zu beanstanden.
Das wiederholte ordnungswidrige Urinieren in der Öffentlichkeit, noch dazu in unmittelbarer Nähe des Streifenwagens und in Dienstkleidung, würde ebenfalls keine Bagatelle darstellen. Es würde ebenfalls einen Mangel an Besonnenheit und Beherrschtheit offenbaren und würde gegen die Pflicht zu gesetzestreuem und achtungswürdigem Verhalten verstoßen. Das würde vorliegend insbesondere auch im Verhältnis zu den Kollegen des Antragstellers gelten.
Unstreitig sei er beim ersten Urinieren, als er seinen Kollegen über sein Vorhaben informierte, darauf hingewiesen worden, dass sich dies nicht gehöre und eine Toilette aufzusuchen sei.
Dennoch habe der Polizist in unmittelbarer Nähe des Dienstwagens uriniert.
Ebenfalls ohne Erfolg trat der Polizist nach Auffassung der Richter der Würdigung seines Verhaltens gegenüber zwei Bürgern mit dem Argument entgegen, es habe sich um eine Bagatelle bzw. um ein in der konkreten Situation angezeigtes Verhalten gehandelt.
Aus welchen Gründen eine Bemerkung mit sexueller Anspielung, die dem Polizisten seinen eigenen Angaben nach „rausgerutscht“ sei, nicht als Hinweis auf eine mangelnde Beherrschtheit anzusehen sein könnten, sei nach den Richtern nicht nachvollziehbar gewesen.
Selbst wenn man unterstellen würde, dass der Polizist den Bürger nicht habe verärgern wollen, würde sein Verhalten einen Mangel an Besonnenheit belegen und Rückschlüsse auf seine charakterliche Eignung zulassen.
Von einem Polizeivollzugsbeamten sei insbesondere, wenn er in Dienstkleidung dem Bürger entgegentreten würde, zu erwarten, dass er irritierende und missverständliche Äußerungen unterlässt, die im vorliegenden Fall sogar den Eindruck vermitteln konnten, der Beamte mache sich über den Bürger lustig.
Auch die Berücksichtigung der weiteren Verhaltensweisen gegenüber Bürgern würden sich im Rahmen des Beurteilungsspielraums des Dienstherrn halten und würden nicht auf einer Verkennung des Begriffs der Bewährung beruhen.
Dass sich der Polizist veranlasst gesehen habe, aus dem Beifahrerfenster heraus einen älteren Fußgänger lautstark auf einen Rotlichtverstoß hinzuweisen, stellt eine impulsive Reaktion dar, die Verkehrsteilnehmer irritieren und sogar ablenken kann.
III.2. Entlassung – Keine sachfremden Erwägungen
Die Beschwerde des Polizisten zeigte schließlich nach Auffassung der Richter auch nicht auf, dass der Dienstherr allgemein gültige Wertmaßstäbe missachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt hätte.
Mit dem Vorbringen des Polizisten, im Vergleich zu anderen Beamten werde ähnliches Fehlverhalten mit zweierlei Maß gemessen, sei eine Missachtung solcher Wertmaßstäbe nicht dargelegt worden.
In diesem Zusammenhang würde sich die Beschwerde des Polizisten nicht mit der die Entlassungsverfügung abschließenden Erwägung auseinandersetzen, dass er trotz wiederholter Gespräche, erneut und wiederholt den ihm als Polizeivollzugsbeamten obliegenden Pflichten nicht gerecht geworden sei.
Dabei würde der Dienstherr beanstandungsfrei dem Umstand besonderes Gewicht zumessen, dass sich der Polizist erst seit dem 01.09.2022 in einem Beamtenverhältnis auf Probe befand und bereits binnen weniger Monate und trotz zwischenzeitlicher Ermahnungen eine Reihe von Pflichtverletzungen gezeigt habe, welche eine grundsätzliche mangelnde Bereitschaft zur Einhaltung und Befolgung der ihm obliegenden Pflichten belegen würden.
Inwieweit es in Bezug auf diesen Befund tatsächlich Vergleichsfälle gegeben haben soll, in denen die charakterliche Eignung nicht in Frage gestellt worden wäre, ist der Beschwerde des Polizisten nach Auffassung des Gerichts nicht zu entnehmen gewesen.
Der Polizist habe sich sich vielmehr darauf beschränkt, einen Kollegen zu zitieren, ohne konkrete Vorfälle und die Reaktion des Dienstherrn darauf zu benennen.
Die Entscheidung des Dienstherrn, den Antragsteller noch vor Ablauf des ersten Jahres der Probezeit zu entlassen, würde sich nach Auffassung der Richter auch nicht mit Rücksicht darauf als rechtswidrig erweisen, dass es seit einem Kritikgespräch am 29.3.2023 bis zum Verbot der Führung der Dienstgeschäfte am 2.6.2023 zu keinen weiteren Fehltritten gekommen sei.
Der Dienstherr habe diese Tatsache in seine Würdigung der charakterlichen Eignung des Polizisten eingestellt, sei aber zu dem Ergebnis gekommen, dass eine stabile Verhaltensänderung nicht zu erwarten sei.
Dieser Einschätzung würde die Erfahrung zugrunde liegen, dass der entlassene Polizist nach dem ersten Kritikgespräch Ende Oktober 2022 und im Anschluss an eine sechswöchige Dienstunfähigkeit zwar ab dem 08.12.2022 zunächst über zwei Monate seinen Dienst unauffällig verrichtet haben würde, dass es danach aber wiederholt zu Verfehlungen gekommen sei.
Vor diesem Hintergrund sei die Einschätzung des Dienstherrn, er könne nicht darauf vertrauen, dass der Polizist zuverlässig seinen dienstlichen Pflichten als Polizeivollzugsbeamter gerecht werde, nicht zu beanstanden.
Da ein solches Vertrauen und die erforderliche Achtung, die ihm der Dienstherr und die Öffentlichkeit, aber auch seine Kollegen entgegenbringen, die notwendige Voraussetzung dafür sei, dass er seine Aufgaben als Polizeivollzugsbeamter vollwertig erfüllen könne, würde die Entscheidung des Dienstherrn, den Polizisten vor Ablauf der Probezeit mangels persönlicher Eignung zu entlassen, unter Berücksichtigung des maßgeblichen Beurteilungsspielraums keinen Bedenken begegnen.
IV. Entlassung – Was tun bei Problemen?
Wenn Sie als Beamtin oder Beamter von einer Entlassung aus dem Dienst bedroht sind, sollten Sie sich unbedingt von einem Anwalt für Beamtenrecht beraten und gegenüber dem Dienstherrn vertreten lassen.
Auf dem Spezialgebiet des Beamtenrechts berate und vertrete ich Beamtinnen und Beamte deutschlandweit, wobei mein Schwerpunkt aufgrund der räumlichen Nähe in den Bundesländern Hamburg, Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern liegt.
Nehmen Sie gerne Kontakt zu mir auf oder vereinbaren ein Erstberatungsgespräch.
Dann können wir Ihre Sachverhalt in Ruhe besprechen und gemeinsam überlegen, wie sinnvoll vorgegangen werden kann.